Dr. Michael Bennemann

Kaum ein anderes wissenschaftliches Fach ist so interdisziplinär ausgerichtet wie die Bionik (zusammengesetzt aus Biologie und Technik). Obwohl die Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft sind, trägt die Bionik schon seit einiger Zeit zur Verbesserung von Produktionsabläufen und zum (nachhaltigen) Produktdesign bei. Wer Bionik studieren will, kann das in Deutschland an vier Hochschulen. Eine davon ist die Westfälische Hochschule in Bocholt. An dem dortigen Westfälischen Institut für Bionik, das in dieser Form einmalig in Deutschland ist, forscht und lehrt eine Gruppe von Wissenschaftlern um Prof. Dr. Tobias Seidl und Dr. Michael Bennemann zur Bionik. Im Gespräch mit Westfalenlob erläutert Dr. Michael Bennemann (Foto), wissenschaftlicher Mitarbeiter am Westfälischen Institut für Bionik, was es mit der Bionik auf sich hat, welche Kooperation mit der Wirtschaft bestehen, wie die Bionik mit der Industrie 4.0 und der Robotik kombiniert werden kann und warum ein Studium der Bionik so vielseitig verwendbar ist. 

Herr Dr. Bennemann, wofür steht Bionik, welcher Forschungsansatz verbirgt sich dahinter?

In der Wissenschaftsdisziplin Bionik werden Funktionsweisen in der belebten Natur untersucht und innovativ in die Technik übertragen. Beispielsweise wurde die Funktionsweise der Haftung von Kletten entschlüsselt und nach diesem Vorbild Klettverschlüsse entwickelt. Nach dem Vorbild von Nagetierzähnen wurden selbstschärfende Messer entwickelt und die Funktionsweise der Datenverarbeitung in unserem Gehirn lieferte die Grundlagen der aktuellen Erfolge der künstlichen Intelligenz.

Wie kann man in Bocholt Bionik studieren?

In Bocholt gibt es seit 2010 einen Bionik-Bachelor-Studiengang und seit 2017 einen Bionik-Master-Studiengang. Die Regelstudienzeit für den Bachelor-Studiengang beträgt 6 Semester und für den Master 4 Semester. Im Bachelor-Studiengang werden sowohl naturwissenschaftliche als aus ingenieurwissenschaftliche Inhalte vermittelt. Die Schwerpunkte sind Sensorik und Leichtbau. Im Master kann man sich in die Bereiche Robotik oder Leichtbau vertiefen.   

Wie sieht der Praxisbezug aus – gibt es Projekte mit der Wirtschaft?

Seit Bestehen des Bionik-Studiengangs ist das Westfälische Institut für Bionik an Kooperationen mit Firmen interessiert. Derzeit ist das Westfälische Institut für Bionik zusammen mit der Universität Groningen in dem Projekt „Bionik in KMU“ involviert. „Bionik in KMU“ ist ein niederländisch-deutsches Projekt, das vom INTERREG Va Programm unterstützt wird.  Dieses Projekt fördert Kooperationen zwischen kleinen und mittelständigen Unternehmen (KMU), der Westfälischen Hochschule Bocholt und der Universität Groningen im deutsch-niederländischen Grenzgebiet. In diesem Projekt versuchen wir zusammen mit der Universität Groningen technische Probleme von Firmen bionisch zu lösen. Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie unter: www.bionikkmu.eu.

In welcher Beziehung steht die Bionik zum Thema Industrie 4.0 – gibt es Überschneidungen, wo bestehen Unterschiede?

In der Industrie 4.0 kommunizieren und kooperieren Menschen, Anlagen, Logistik und Produkte direkt miteinander. Hierzu sind Maschinen von Nöten, die ohne eine Gefährdung von Menschen in deren unmittelbarer Nähe Arbeit vollrichten können. Aktuelle Industrieroboter erfüllen diese Anforderungen nicht, sondern es bedarf nachgiebiger Roboter um im Fall einer Kollision Verletzungen so gering wie möglich zu halten. Des Weiteren bedarf es Roboter, die Bewegungen in ihrer Umgebung erkennen und zu einem gewissen Teil vorhersehen können. Sowohl für die Entwicklung von nachgiebigen Robotern, als auch für die Überwachung der Umgebung und für vorausschauendes Denken bietet die Bionik Vorbilder. Auch für die Kommunikation in der Industrie 4.0 können Vorbilder in der Natur gefunden werden, wie beispielsweise die Kommunikation staatenbildender Insekten.

Was macht ein Studium der Bionik aus Ihrer Sicht so wertvoll?

Bionik-Studenten erlangen in Ihrem Studium eine fundierte Ausbildung in Biologie, Chemie, Physik, Mechanik, Werkstoffkunde, Mathematik und Informatik. Dadurch wird Bionik-Studenten eine Vielzahl von Problem-Lösungsstrategien an die Hand gegeben, so dass Bionik-Absolventen in der Lage sind vielfältigste Aufgabenstellungen zu bewältigen. Diese Aufgabenstellungen müssen auch nicht darin bestehen Funktionsweisen der Natur in die Technik zu übertragen. Bionik-Absolventen können in allen Bereichen von Produkt- und Prozessentwicklung tätig sein. Dabei beschäftigen sie sich meist mit den Produkten der übernächsten Generation.

Herr Dr. Bennemann, besten Dank für das Gespräch!

Von Rolevinck

Schreibe einen Kommentar