Von Ralf Keuper

Bis in unsere Tage hinein hält sich, so Reiner Burger in der FAZ, der Glaube, wonach Nordrhein-Westfalen die Herzkammer der SPD sei. In Der Herzkammer-Mythos vom 9.06.2017 versucht der Autor aufzuzeigen, warum Nordrhein-Westfalen schon lange nicht mehr das Stammland der SPD ist, sollte es je so gewesen sein. Burger schreibt:

.. das ist schon deshalb falsch, weil sich das von Herbert Wehner geprägte Bild von der “Herzkammer” nur auf Dortmund bezogen hatte. Die CDU schnitt (mit Ausnahme der Landtagswahl von 1966) bis 1980 stets besser ab als die SPD.

Für eine moderne SPD stand zuletzt, so Burger, Heinz Kühn, der von 1966 bis 1978 das Land regierte. Um so erstaunlicher, dass Kühn in der SPD kaum noch erwähnt wird.

Die abgewählte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft jedenfalls, orientierte sich an Johannes Rau und dessen Politikstil, den der Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter als “Barmherzigkeitssozialismus” oder als “paternalistisches Kümmermodell” bezeichnete.  Mit dem Kümmermodell gelang es der SPD unter Hannelore Kraft im Jahr 2010, die Macht von der CDU zurückzuerobern. Die Hoffnung, die SPD könnte mit ihrem Erfolgsrezept der Vergangenheit ihre Macht festigen, zerschlug sich recht bald:

Denn Kraft hatte weder bundespolitische Ambitionen noch das Bedürfnis, eine Zukunftsperspektive für ihre Partei zu entwickeln.

Anders als Burger unterstellt, ist es nicht allein der veraltete Politikstil gewesen, der die SPD zu einer beispiellosen Wahlniederlage führte. Denn auch Wolfgang Clement mit seinem betont wirtschaftsliberalen Ansatz hat außer einigen ambitionierten Großprojekten, von denen die meisten nie in die Realität umgesetzt wurden (Damals ging der Spruch um: “Er hat viele Grundsteine gelegt, aber nur selten ein Richtfest gefeiert”), nur wenig zur Erneuerung des Landes beigetragen.

Vieles deutet darauf hin, dass, wie im Tagesspiegel zu lesen war, mit den Zechen auch die Sozialdemokratie in Nordrhein-Westfalen verschwinden könnte. Mit Blick auf die letzte Landtagswahl heisst es dort:

In Bottrop lagen die Sozialdemokraten 2012 noch bei satten 50 Prozent, sie verloren zwölf Prozentpunkte. In Gelsenkirchen, Dortmund, Bochum sah es nicht besser aus, in Duisburg büßte die Partei 14 Punkte ein. Weit mehr als im NRW-Schnitt, wo die Verluste mit acht Prozentpunkten fast milde ausfielen.

Aus all dem jedoch zu folgern, dass die SPD in Nordrhein-Westfalen marginalisiert wird, ist dann doch übereilt. Verluste, auch deutliche, gehören zum Geschäft. Wie das Beispiel der Regierung unter Jürgen Rüttgers gezeigt hat, tut sich die CDU schwer, sich in NRW an der Macht zu halten. Die Wahl in NRW entscheidet sich schon längst nicht mehr nur im Ruhrgebiet. Weite Teile Ostwestfalens sind traditionelle SPD-Hochburgen. Anders verhält es sich im Münsterland und in Südwestfalen, wo es nur wenige SPD-Hochburgen, wie in Siegen, gibt.

Die CDU hat nun die Chance zu zeigen, dass sie das Land erfolgreich regieren kann, die SPD die Gelegenheit, ihr altes “Stammland” zurückzuerobern. Letzteres wird ohne neue Inhalte, einen anderen Politikstil und ohne neue Köpfe indes kaum zu schaffen sein.

Von Rolevinck

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