Von Ralf Keuper

Seit Jahrzehnten schon kommt aus dem Ruhrgebiet der Hinweis, dass die Region die Hilfe von außen benötige, da sie einen Strukturwandel durchmache, der ohne Beispiel sei. Ihren Anspruch leitet die Region auch daraus ab, dass sie wesentlich zum Aufbau Westdeutschlands nach dem 2. Weltkrieg beigetragen habe. Mittlerweile können immer weniger Außenstehende dieses Anspruchsdenken nachvollziehen. Um so mehr, wenn ständig neue Forderungen nach finanzieller Unterstützung erhoben werden. An Selbstkritik und Ursachenforschung scheint es zwischen Dortmund und Essen hin und wieder zu mangeln. Die Frage, ob nach so langer Zeit nicht auch hausgemachte Probleme an der Dauermisere Schuld sein könnten, stellen sich die Vertreter der Städte in der Region nur sehr selten.

Um so wichtiger, wenn ein so prominenter Einwohner des Ruhrgebiets wie Bundestagspräsident Norbert Lammert Kritik übt, und die Lebenslüge des Ruhrgebiets direkt anspricht, wie in einem Interview kürzlich in der WAZ. So sagt er:

Wenn ich von der Sondersituation absehe, die wir in den neuen Ländern nach der Wiedervereinigung hatten, dann kann ich in Deutschland keine zweite Region erkennen, die über einen so langen Zeitraum so hohe finanzielle Hilfen vom Bund bekommen hat, um den Strukturwandel zu bewältigen, wie das Ruhrgebiet. Man kann wirklich nicht sagen, das Ruhrgebiet sei zurückgeblieben, weil es hier weniger Förderung gegeben hätte. Das gehört zu den vielen Lebenslügen, die in dieser Region fast kultartig gepflegt werden. Das Revier ist bisher leider nicht willens, sich selbst in eine Verfassung zu bringen, um den Herausforderungen begegnen zu können.

Wie nicht anders zu erwarten, erntete Lammert mit seinem Vorstoss Kritik, wie von dem Regionalforscher Jörg Bogumil. Dem Vorschlag Lammerts, einen Bezirk Ruhr zu bilden, kann Bogumil nur wenig abgewinnen, wie er die WAZ wissen ließ. Damit befindet sich Bogoumil in etwa auf einer Linie mit dem Parteifreund Norbert Lammerts, Wolfgang Bosbach, der in einem Interview, ebenfalls mit der WAZ sagte:

Die einzelnen Städte des Reviers sind zu eigenständig, als dass sie bereit wären, zentrale Kompetenzen abzugeben an eine Supermetropole Ruhrgebiet. Das Ruhrgebiet ist auch so das Zentrum NRWs. Aber ich brauche keine Fünf-Millionen-Metropole, um die Stärke des Reviers abzubilden, sondern gute Kooperation beispielsweise in der Gebietsentwicklung und eine größere Geschlossenheit. Die wird aber nicht unbedingt durch große Einheiten hergestellt.

Einig sind sich eigentlich alle drei, dass das Kirchturmdenken im Ruhrgebiet das größte Hindernis ist, um den Strukturwandel erfolgreich abschließen zu können.

Weitere Informationen:

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Ein Gedanke zu „Schwelgt das Ruhrgebiet in Selbstmitleid?“

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