Von Ralf Keuper
In dem Beitrag Alexander Hegius. Ein Pädagoge an der Schwelle zum Humanismus behandelt Norbert Schauerte das Leben eines bedeutenden Humanisten aus Westfalen.
Alexander Hegius, Meister van den Heck – so heißt er in den alten Urkunden – oder auch Meister Sander genannt (offenbar eine volkstümliche Abkürzung des Namens Alexander), wurde wahrscheinlich um das Jahr 1433 in Burgsteinfurt als „illegitimus“ geboren. Sein Vater hieß vermutlich Ghosen van Heecks, der erstmals am 5. 4. 1446 als Steinfurter Johanniter genannt wird und der der nach dem Ort Heek (unweit von Ahaus) benannten Adelsfamilie angehört. Er besuchte die Lateinschule der Steinfurter Johanniter. Offensichtlich studierte er an der Universität Rostock. Die Rostocker Matrikel verzeichnet nämlich unter dem 28.10.1456 die Immatrikulation eines „Sanderus Hek de Stenfordia“, führt ihn für das Wintersemester 1457/58 unter den Baccalaurei artium („Zanderus Hecke“) und für das Wintersemester 1462/63 unter den promovierten Magistri („Sanderus Heck“).
Hegius war ein Schüler des Rudolf Agricola, der seinem Zögling zeitlebens besonders zugetan war und Anteil an dessen Fortschritte als Lehrer und Autor nahm. Durch Agricola bekam Hegius Zutritt zu einem der einflussreichsten Gelehrtenkreise jener Zeit:
Durch Agricola eingeführt, war Alexander Hegius Mitglied des berühmten Gelehrtenkreises, der sich regelmäßig in der Zisterzienserabtei Aduard zum hl. Bernhard unweit Groningens im damaligen Bistum Münster zusammenfand. Aduard wurde der geistige Mittelpunkt des nordwestdeutschen Humanismus. Der hochgebildete Abt dieser „Königin unter den Klöstern im Groningerland“, Hendrik H. van Rees (1449-1485), stellte seinen Gästen die reiche Klosterbibliothek zur Verfügung und schuf so die günstigsten Voraussetzungen für den geistigen Austausch der Gelehrten, der sich oft über Wochen und Monate hinzog.
Große Bekanntheit erlangte Hegius als Leiter der Schule von Deventer, die eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung des Humanismus in Nordwestdeutschland hatte:
Das Leben und Wirken des Alexander Hegius fällt in die Zeit der Blüte des Humanismus im nordwestlichen Deutschland. Die Schule von Deventer gelangt unter dem Einfluß, wenn auch nicht unter der direkten Leitung der Fraterherren, auf den Gipfel ihres Ruhmes und ihrer Anziehungskraft. Der nord- und westdeutsche Humanismus ist gar nicht zu denken ohne Deventer und seine Pflanzstätten. Die besondere Leistung der Brüder vom gemeinsamen Leben besteht darin, daß sie sowohl in den Niederlanden als auch in Westfalen durch die humanistischen Bestrebungen die christliche Frömmigkeit vertiefen. Im Mittelpunkt ihres humanistischen Blickfeldes und ihrer religiösen Erziehung steht der Mensch als Individuum und als Glied der Gemeinschaft.
Über den Gelehrten, Philosophen und Priester Hegius heisst es:
Er war ein Mann, der in den heiligen Schriften höchst kenntnisreich war und in der weltlichen Philosophie in ganz vortrefflicher Weise ein Philosoph, ein Priester und ein Dichter, ein hochberühmter Interpret beider Sprachen, scharfsinnig und beredt; auch in seiner Lebensweise und im Umgang mit anderen Menschen ein echter und rechter Jünger Jesu Christi, Liebhaber der Armen, vorzüglicher und heimlicher Spender von Almosen, Lehrer mehr noch als in den Wissenschaften in den Tugenden, fest entschlossener Bekämpfer der Laster, natürlich und, wie man sagt, von altem Schlage, demütig; er trug keine übertriebene Sorge für seine äußere Erscheinung; auch lehrte er nicht, indem er nach Art etlicher Menschen vor stolzer Verachtung eitler Beredsamkeit sich aufblähte, in weitläufigem und Ärgernis gebendem Wortschwall durch unverständliche rätselhafte Sentenzen, sondern einfach, wie es der Fall war, treffend und ganz geradeheraus; der guten und eifrigen ein überaus liebevoller Gönner und Vater, aber auch der schlechten Schüler ein erklärter Feind, beseelt von größter Energie und größtem Eifer: den trägen und faulen war er immer ein Dorn in den Augen und eine Lanze in den Seiten.
Sein mit Abstand berühmtester Schüler war Erasmus von Rotterdam, den der Deutschlandfunk in einem Beitrag als kosmopolitischen Vordenker bezeichnete.
Obwohl Erasmus von Rotterdam sich gern Autodidakt nennt und nur kurze Zeit unter Alexander Hegius gelernt hat, erwähnt er ihn einige Male als seinen Lehrer. Wenn Erasmus einen Alexander Hegius seinen Lehrer nennt, dann kann er dies nicht nur im äußerlichen Sinn verstanden haben, sondern er meint damit, daß ihm Alexander Hegius auch sachlich manches vermittelt und die Ausrichtung gegeben hat. An einer Stelle der „adagia“, wo er die Verdienste Agricolas rühmt, fügt er hinzu, daß Agricolas Schüler Alexander Hegius der Lehrer seiner Kindheit gewesen und dieser dem Meister an untadeligem Leben und an ungewöhnlicher Gelehrsamkeit gleich gewesen sei. Er fährt dann fort: „Ein tadelsüchtiger Momus würde vielleicht nur das eine an ihm aussetzen können, daß er, für seinen Ruhm zu wenig besorgt, die Nachwelt nicht berücksichtigt hat. Wenn er etwas schrieb, war es, als geschehe es aus Scherz und nicht im Ernst. Und doch ist, was er so geschrieben hat, der Art, daß es nach dem Urtheile der Gelehrten der Unsterblichkeit würdig ist.“