Die mehr als zweihundertjährige Geschichte des Ruhrgebiets ist vor allem eine Geschichte seiner Ingenieure. Mit einer heute nicht mehr denkbaren Konsequenz fällten sie Entscheidungen, die den Entwicklungen der Industriegiganten an der Ruhr vom ersten Weltkrieg über die Weimarer Republik bis in die Zeit des NS-Staats ihre Richtung gaben. Prof. Dr. Wolfhard Weber (Wirtschafts- und Technikgeschichte, Fakultät für Geschichtswissenschaft der RUB) und seine Mitautoren haben in Wirtschaftsarchiven 18 Biographien neurecherchiert und nun in dem Band “Ingenieure im Ruhrgebiet” veröffentlicht.

Konzerne tragen ihre Namen

Ob Eisen- und Stahlwerke, Maschinen- und Anlagenbau, Bergbau, chemische Industrie oder Energieversorgung, diese Bereiche sind untrennbar mit den Namen von Persönlichkeiten verbunden: Diese Männer prägten den ersten Strukturumbruch des Reviers mit verstärkter Konzernbildung und der Entwicklung von Kraftwerks- und Chemiestandorten. Sie wirkten in Unternehmen, deren Namen auch heute noch ein Begriff sind, darunter Hoesch, Krupp, Mannesmann, Kamp & Co., Ruhrchemie, Ruhrgas, RWE, Thyssen, VARTA GmbH und den Hörder und Bochumer Vereinen.

Wegbereiter für Konzerne und Produktionen

Mit dem Pionier Alfred Trappen (1828-1908) kamen die in England und Belgien gewonnen Erfahrungen im Hüttenbau ins Ruhrgebiet. Willem van Vloten (1855-1925) und Walter Borbet (1881-1942) führten die Hörder und Bochumer Vereine in größere überbetriebliche Zusammenhänge und machten sie so zu Konkurrenten von Krupp. Die Mannesmannsöhne waren immer auf der Suche nach industriell einsetzbaren Neuerungen und brachten dem Ruhrgebiet die nahtlosen Röhren für den Gastransport. Arthur Imhausen (1881-1955) war einer der Wegbereiter der chemischen Industrie, obwohl er im engeren Sinn keine akademische Ausbildung hatte. Er erfand eine Methode, um aus Paraffin Fettsäuren zu gewinnen. Der Geologe Karl Oberste-Brink (1885-1966) war ein gefragter Bergschadensfachmann, der die Flözbezeichnungen vereinheitlichte. Heinrich Reisner (1881-1961) war ein vielseitiger Mann, der besonders auf die Fortbildung von Ingenieuren Wert legte und so das Haus der Technik gründete. Er war auch in vielen Verbänden und Vereinen tätig. Die Reihe schließt mit Willy Ochel (1903-1992), der als Maschinenbauingenieur nach dem zweiten Weltkrieg einige Betreibe des Ruhrgebiets reorganisierte und modernisierte.

Erstmals ihre gesellschaftspolitische Bedeutung analysiert

Die Ingenieure verfügten neben ihrer Bedeutung für die Wirtschaft auch über einen beträchtlichen gesellschaftspolitischen Einfluß; so prägten sie z.B. im entscheidenden Maß das Verbandswesen. Die vorliegenden Biographien erfassen erstmals die Bedeutung der Ingenieure für die Entwicklung des Ruhrgebiets durch die technischen Strukturwandlungen von der Berg- und Eisenhütte über Maschinenbau, Elektrotechnik und Chemie hin zu Massenkonsum und Elektronik. Mit diesem Band wurde die Geschichte des “Potts” um eine weitere Facette erweitert.

Quelle: RUB-Publikation: Ingenieure im Ruhrgebiet

Von Rolevinck

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