Spätestens seit die Eigentümerfamilien von Hella in Lippstadt auf der Suche nach einem Käufer für ihre Anteile sind, hat die Konsolidierungswelle unter den Automobilzulieferern Westfalen erreicht. Dem Beispiel Hella könnten weitere in der Region folgen.
Verantwortlich für den Strukturwandel sind nach Ansicht von Marktbeobachtern neue Antriebstechniken (E-Motor) und die fortschreitende Durchdringung des Autos mit Software[1]Hella ist erst der Anfang: Die Zuliefererindustrie steht vor einer Konsolidierungswelle. Das wiederum wird über kurz oder lang auch zu einer Konsolidierungswelle unter den Automobilherstellern führen[2]Vgl. dazu: Endspiel für die deutsche Automobilindustrie & Gemeinsame Betriebssysteme der Automobilhersteller: Die letzte Revolution in der Automobilindustrie.
Der ehemalige F&E-Chef von Audi, Peter Mertens, kommt zu der ernüchternden Feststellung[3]Peter Mertens, Ex Leiter F&E Audi AG: “Wir haben geschlafen (…) es wird blutig!”:
Ich sage das mit Ehrlichkeit, in meiner eigenen Verantwortung haben wir alle bis zu einem gewissen Grad geschlafen, und das ist nicht nur die Autoindustrie, sondern vor allem die Zulieferer.
Anders dagegen Tesla. Dort wurde das Auto um einen zentralen Computer, die Steuerungseinheit Hardware3[4]“Tesla hat sechs Jahre Vorsprung”, herum entwickelt wurde, der alle Haupt- und Nebenfunktionen verwaltet und vereint. Ein Musterbeispiel für vertikale Integration. Dadurch entfällt ein Großteil des Koordinations- und Abstimmungsbedarf zwischen Tesla und den Zulieferern. Der klassische Automobilhersteller hat die meisten Funktionen dagegen an Zulieferer ausgelagert, die eigene Softwaresysteme entwickelt haben, die mit denen der anderen Zulieferer häufig nicht kompatibel sind und daher erst vom Automobilhersteller aufwändig integriert werden müssen. Kommt es zu Änderungen in der Software, muss jeder Zulieferer aktiv werden, was wiederum viel Zeit kostet. Schlechte Karten für Hella & Co.
Da das Elektroauto nur einen Bruchteil der Komponenten eines Autos mit Verbrennungsmotor benötigt[5]Elektroautos brauchen weniger Teile – was heißt das für die Arbeitsplätze?, brechen für viele Automobilzulieferer, wie ZF und Bosch, ganze Kerngeschäftsfelder weg.
Unter den Top Ten der deutschen Automobilzulieferer rangieren mit Hella und Benteler zwei aus Westfalen. Beide sind (noch) Familienunternehmen. Vor allem Benteler hat momentan schwer zu kämpfen, was aber nicht nur an der Automotive-Sparte liegt[6]Benteler-Konzern wieder mal in der Krise. Die westfälischen Automobilzulieferer haben in den vergangenen Jahren zahlreiche Fabriken stillgelegt und Personal im großen Umfang abgebaut[7]Westfälische Zulieferer reagieren auf die Struktur- und Absatzkrise der Automobilindustrie. Zuletzt kündigte Benteler an, das Werk Weidenau bei Siegen zu schließen[8]Benteler-Werk in Weidenau schließt.
Neben Benteler und Hella gibt es in Westfalen weitere Automobilzulieferer in Familienhand mit mehr als 1. Mrd. Jahresumsatz, wie die Kirchhoff Gruppe in Iserlohn und Mubea in Attendorn. Ganz abgesehen von den zahlreichen kleinen und mittelständischen Automobilzulieferern in Südwestfalen[9]Autozulieferer in Südwestfalen unter Druck.
Kirchhoff Automotive bezeichnet sich als “Komplettanbieter für komplexe Metall- und Hybridstrukturen für Rohkarosserie und Fahrwerk sowie Crash Management Systeme und Armaturentafelträger“. Mubea wiederum präsentiert sich als “innovativer Leichtbauspezialist für hochbeanspruchbare Federkomponenten und verwandte Produkte“. Ähnlich wie Kirchhoff und Mubea ist Benteler im Leicht- und Karosseriebau tätig. Mit seinen modularen, vorintegrierten Systemen will Benteler es Automobilherstellern aller Art ermöglichen, “E-Mobility-Lösungen effizient zu realisieren und die Zeit bis zur Markteinführung zu verkürzen – egal, ob es sich um etablierte OEMs handelt oder branchenfremde Start-Ups“. In diese Kategorie gehört auch, wenngleich mit einigen Abstrichen, der Hersteller von Leichtmetallfelgen Borbet.
Auf den ersten Blick alles Komponenten und Kompetenzen (Leichtbau), die auch beim E-Auto und autonomen Fahren benötigt werden.
Das Geschäft mit der Elektromobilität ist indes kein Selbstläufer, wie der Batteriehersteller Voltabox aus Delbrück bei Paderborn erfahren muss[10]Batteriehersteller Voltabox verkauft US-Tochter.
Warten wir die weitere Entwicklung ab. Einfacher wird das Geschäft für die Automobilzulieferer jedenfalls nicht. Sobald hohe Investitionen anfallen, deren Amortisierung mit großen Fragezeichen versehen ist, werden sich weitere Familien die Frage stellen, ob es nicht besser ist, noch rechtzeitig zu verkaufen – solange die Entscheidung darüber noch in ihren Händen liegt.
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