Von Ralf Keuper

Das legendäre Café Schucan an Münsters Prinzipalmarkt stand für über ein Jahrhundert stellvertretend für die Caféhauskultur in Westfalen. Die Ursprünge reichen zurück bis in das Jahr 1836, als der damals 26jährige aus dem schweizerischen Engadin stammende Konditor Johann Gaudenz Steiner darum bat, sich in Münster niederlassen zu dürfen. Offiziell taucht der Name Schucan in einem Pachtvertrag aus dem Jahr 1894 auf, in dem Otto Schucan das Haus am Prinzipalmarkt “zum Betriebe einer Konditorei” verpachtet wird. Damit begann die eigentliche Geschichte des Cafés Schucan.

Quelle: WDR Digit (Schucan in den 1930er Jahren)

Otto Schucan stammte wie Johann Gaudenz Steiner ebenfalls aus der Schweiz, und zwar aus Graubünden. Seit dem 15. Jahrhundert waren die Konditoren aus dem Engadin und Graubünden in weiten Teilen Europas für ihre hohe Kunstfertigkeit als Zuckerbäcker bekannt, so z.B. in Venedig. Irgendwann führte sie der Weg nach Westfalen, wobei neben Münster auch Bielefeld, Soest und Minden beliebte Ziele der “Gastarbeiter” waren.

Otto Schucan begründete die Tradition des Cafés, wobei er sich als dynamischer und weitsichtiger Unternehmer erwies. Mehrmals wurden die Räumlichkeiten erweitert, durch einen Neubau ersetzt oder aber auch durch Umzug in benachbarte Geschäftshäuser verlegt. Als Otto Schucan sein Lebenswerk 1938 in die Hände seines Sohnes Jacob Otto Schucan übergab, war das Café Schucan schon weit über die Grenzen der Stadt Münster für seinen mondänen Stil bekannt. Dabei war es nicht nur die hohchwertige Qualität der Produkte, sondern auch die einzigartige Atmosphäre, welche die Menschen, die vorzugsweise aus der Bürgerschaft stammten, in ihren Bann zog. So war das Café “angesagter” Treffpunkt für die gesellschaftlichen Spitzen der Stadt und der Umgebung. Im oberen Stockwerk beherbegte das Café Schucan obendrein einen großzügigen Billard-Saal, in dem auch einmal die Deutschen Meisterschaften ausgetragen wurden. Für die Gäste stand eigens ein Billard-Trainer zur Verfügung.

Quelle: Westfälische Nachrichten, Foto Haunfelder

Nach dem 2. Weltkrieg konnte das Café Schucan seine herausragende Stellung bis in die 80er Jahre halten. Mit dem Tod von Jacob Schucan näherte sich die Ära Schucan langsam ihrem Ende. Im Jahr 1989 verkaufte die Tochter Jacob Schucans, Claire Schucan, das Gebäude samt Café an die damalige Hussel-Holding (heute Douglas). Nach lautstarken Protesten aus der Bürgeschaft, die in Schucan eine erhaltenswerte Institution sah, gab Hussel dem Drängen nach, indem das Café auf stark reduzierter Fläche zunächst weitergeführt wurde. An den Glanz der alten Zeiten konnte es allerdings nicht mehr anknüpfen. Heute residiert an dieser Stelle die Thalia-Buchhandlung (Douglas).

 

Quelle: “Café Schucan – eine Legende” von Wolfgang Weikert und Bernd Haunfelder, Aschendorff Verlag (Münster)

3 Gedanken zu „Café Schucan in Münster – eine Legende“
  1. Ja, da ist wirklich ein Stück Kaffeehauskultur verloren gegangen. Vielleicht kommt die Zeit der Kaffeehäuser irgendwann einmal zurück, wenn auch in einem anderen Gewand – als Treffpunkt, Marktplatz und Informationsbörse mit dem besonderen Flair ..

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