Zu den vielen Wanderhandelssystemen, die vor allem seit dem 17. Jahrhundert Waren im Nah- und Fernhandel insbesondere an die ländlichen Verbraucher verkauften, gehörten die Tödden aus dem nördlichen Münsterland. Bei der Bezeichnung ›Tödden‹ handelt es sich um einen mündlich überlieferten Begriff, der in der Geheimsprache der hausierenden Kaufleute als Selbstbezeichnung benutzt wurde. Herkunftsgebiet war die Grafschaft Lingen sowie das Kirchspiel Hopsten im Fürstbistum Münster, also der Raum zwischen Lingen im Norden und Tecklenburg im Süden im westlichen Grenzraum der heutigen Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Zu den Entstehungsursachen gehörte, wie bei den meisten europäischen Systemen von Arbeitswanderung und speziell von Wanderhandel, der durch starkes Wachstum klein- und unterbäuerlicher Schichten verschärfte Mangel an zureichenden Erwerbsgrundlagen in einem ländlichen Herkunftsgebiet, in dem es einen hohen Anteil an landwirtschaftlichen Kleinund Kleinstbetrieben auf wenig ertragreichen Böden gab. …

Zu den Einkaufsgebieten der Tödden gehörten die größten nordmitteleuropäischen Produktionsgebiete für Metallwaren und Textilien, darunter bedeutende Proto-Industrialisierungsregionen. Dazu zählten westfälische Leinenerzeugungsgebiete des nordwestdeutschen Raumes wie Ravensberg, Minden, Lippe und Warendorf; außerdem Brabant und Flandern, die deutsch-niederländische Textilregion zwischen Nordhorn und Bocholt sowie preußische Manufakturzentren zwischen Elbe und Weichsel. Verkauft wurden in erster Linie Textilstoffe, kleine textile Fertigwaren und Kleineisenartikel: Leinen- und Wollstoffe, Mützen, Strümpfe, Handschuhe und Tücher ebenso wie Scheren, Messer, Schnallen und Nähnadeln. Zur Haupthandelsware der Tödden zählte das in der Grafschaft Ravensberg hergestellte sogenannte Bielefelder Leinen.

Quelle / Link: Hannelore Oberpenning »People were on the move«. Wanderhandelssysteme im vor- und frühindustriellen Europa

Von Rolevinck

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