Auszug:

Für Minden reicht die lehnsherrliche Überlieferung ins Jahrhundert vor dem Anfall an Kurbrandenburg zurück und umfasst den Zeitraum von 1557 bis 1639. Viele Probleme, die den Reichshofrat in den weltlichen Fürstentümern beschäftigten, waren in den geistlichen Territorien gegenstandslos, wie beispielsweise Erbverbrüderungen und Anwartschaften. Gleichwohl enthalten die Reichshofratsakten auch für die Bistümer oft wesentlich mehr als bloß die Gesuche der Bischöfe um Verleihung der weltlichen Regalien und die Konzepte der nach vollzogenem Belehnungsakt ausgefertigten Lehnsbriefe. So ist es auch in Minden. Die Mindener Akte dokumentiert nämlich nichts Geringeres als eines der großen Themen deutscher Geschichte am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges, nämlich die Frage, wie der Kaiser als Oberlehnsherr mit den protestantischen Stiftsadministratoren umgehen solle. Wie Eike Wolgast gezeigt hat, gingen die Kaiser zwar nicht dazu über, Belehnungsgesuche offen zu verweigern. Gleichwohl schwächte der ausbleibende Vollzug der Investitur die Herrschaftslegitimation der Administratoren empfindlich und stellte darüber hinaus die Wahrnehmung von Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat in Frage. Dass die Kaiser ihr oberlehnsherrliches Amt bei aller reichspolitisch gebotenen Rücksichtnahme als Hebel für eine Rekatholisierung Mindens einzusetzen gedachten, wird bei Durchsicht der Lehnsakte rasch deutlich. …

Neuere Studien betonen die regionalistische Grundstruktur Brandenburg-Preußens, die im Osten wie im Westen über Jahrhunderte hinweg wirksam blieb. Diese überfällige Neuausrichtung der Preußenforschung steckt freilich in vielen Bereichen noch in den Kinderschuhen und droht zudem durch eine stark auf Berlin und Potsdam fixierte Jubiläums- und Eventkultur konterkariert zu werden. Die Existenz des Preußenmuseums Nordrhein-Westfalen und einer in der westfälischen bzw. rheinischen Landesgeschichte fest verankerten Preußenforschung ist also notwendiger denn je, sofern eine ahistorische „Brandenburgisierung“der preußischen Geschichte vermieden werden soll. …

Im Reichshofratsbestand stößt man auf Tausende bislang unerforschter Akten, die sich auf das Land zwischen Rhein und Weser beziehen. Das 1648 säkularisierte Hochstift Minden ist als Fallbeispiel besonders gut dazu geeignet, zu verdeutlichen, dass dieser Befund sowohl für die geistlichen wie auch für die weltlichen Territorien der Frühen Neuzeit gilt. Neben den kleineren weltlichen Herrschaftsgebieten sind, soviel lässt sich bereits heute sagen, besonders die Bistümer in der Wiener Überlieferung gut dokumentiert. Für die Geschichte der geistlichen Territorien im Nordwesten des Reiches, deren Erforschung sich unter anderem der landesgeschichtliche Lehrstuhl der Universität Paderborn auf die Fahnen geschrieben hat, bilden die Akten des Reichshofrats deshalb eine Quelle von kaum zu überschätzender Bedeutung.

Quelle: Wiener Perspektiven für die westfälische Landesgeschichte Quellen zur Geschichte von Hochstift und Fürstentum Minden aus den Akten des kaiserlichen Reichshofrats

Von Rolevinck

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