… Waren die städtischen Bevölkerungen der Vormoderne und des frühen 19. Jahrhunderts Laternen noch skeptisch oder ablehnend gegenübergestanden, so war bereits Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Installation Teil von dezidiert stadtbürgerlichen Forderungen nach mehr persönlicher, ökonomischer und Verkehrssicherheit. So wandelte sich die Laterne von einem Instrument des vormodernen Sichtbarmachens zu einem Instrument beständiger Sichtbarkeit in der Moderne. Dies führte zu neuen Konfliktlinien, da die Expansion der Beleuchtung nicht so umfassend verlief wie vom Stadtbürgertum gefordert. Hier zeigt das Beispiel Bielefeld neben Wandel und Konjunkturen von Versicherheitlichungsbedürfnissen im Zuge der Industrialisierung auch, dass eine Internalisierung obrigkeitsstaatlicher Vorstellungen keinesfalls die Abwesenheit von Konflikt bedeutete. Anhand von Verwaltungsakten und Eingaben wird aus der Perspektive der Historischen Sicherheitsforschung unter Rückgriff auf Foucaults Konzept der Gouvernementalität die Geschichte der Bielefelder Straßenbeleuchtung in den Kontext eines größeren Wandels von Sicherheit, Technik und urbaner Raumgestaltung gesetzt. Die Ergebnisse zeigen, dass Technik- und Infrastrukturgeschichte wesentlich dabei helfen, die Erkenntnisse der Historischen Sicherheitsforschung zu vertiefen und zu kontextualisieren. Techniknutzung und -erwartungen waren durch eine bisweilen prekäre Allianz verschiedener Akteursgruppen ein wesentlicher Bestandteil eines neuen Sicherheitsverständnisses als auch der sozialsegmentierten Ordnung des urbanen Raums.
Quelle: „Wider den nächtlichen Unfug“ – Die Bielefelder Straßenbeleuchtung von 1853 bis in die 1880er Jahre