Von Ralf Keuper

Es gibt Beiträge, die verschlagen einem beim Lesen den Atem. Um so einen Fall handelt es sich bei Bankenstandort Nordrhein-Westfalen besticht durch Stärke und Vielfalt. Darin werden uns die Vorzüge des Bankenstandortes Nordrhein-Westfalen in leuchtenden Farben geschildert. Anders als in anderen Bundesländern, wie in Hessen und Bayern, besteche die Bankenlandschaft in NRW durch ihre dezentrale Struktur. Im weiteren Verlauf werden einige Banken genannt, welche die Aussage des Artikels bestätigen sollen.

Dazu einige Anmerkungen:

Der Bankenstandort NRW hat in den letzten Jahren deutlich an Substanz verloren. Es scheint vielen, auch in der Westfalium-Redaktion, nicht mehr präsent zu sein, dass die WestLB als Folge der Finanzkrise ihre Existenz einbüßte. Die IKB, die in dem Beitrag lobend erwähnt wird, war eine der ersten Banken, die in den Sog der Finanzkrise geriet. Erst vor wenigen Wochen wurde die Rolle der IKB in dem Beitrag Wie die IKB die Krise nach Deutschland brachte thematisiert. In der ZEIT war zu lesen Bankenplatz Düsseldorf? Zumindest in der Krise ist Nordrhein-Westfalen spitze.

Die Privatbank Sal. Oppenheim in Köln verlor im Zuge der Niedergangs von Arcandor nach mehr als 200 Jahren ihre Selbständigkeit. Im Jahr 201o stellte die Crown Westfalen Bank in Bochum ihren Betrieb nach fast 90 Jahren Geschäftstätigkeit ein. Die Düsseldorfer Hypothekenbank musste 2015 vom Bankenverband übernommen werden, um einer Insolvenz zuvorzukommen. Im Jahr 2011 musste die Valovis Bank durch eine Garantie des Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken in Höhe von 100 Mio. Euro vor einer existenzbedrohenden Schieflage bewahrt werden.

Die Postbank erlebte in den letzten Jahren ein Wechselbad der Gefühle. Nachdem die Konzernmutter Deutsche Bank die Postbank nicht wie gedacht verkaufen konnte, bleibt sie deren Bestandteil.

Die gut geführte und profitable WGZ-Bank in Düsseldorf ging in die DZ Bank auf. Dadurch verlor NRW eine wichtige Bank. Damit verfügt NRW weder über eine Landesbank noch über ein Zentralinstitut der Volksbanken.

Die in dem Beitrag erwähnte Santander Bank ließ erst vor wenigen Wochen verlauten, in der Zentrale in Mönchengladbach bis zu 100 Stellen abzubauen.

Die ehemalige Disko-Leasing in Düsseldorf, immerhin älteste Absatzfinanzierungsgesellschaft Deutschlands, wurde im Jahr 2007 von dem Finanzarm des amerikanischen Mischkonzerns General Electric übernommen, der sie zunächst in die GE Equipment Finance integrierte und ein Jahr später zum Bestandteil der GE  Capital Bank machte. Im August vergangenen Jahres übernahm die französische Crédit Mutuel von der GE Capital Bank das Leasing- und Factoringgeschäft. Der Sitz des Unternehmens Targo Commercial Finance ist in Mainz.

Vor wenigen Tagen sorgte der Westfälisch-Lippische Sparkassen-und Giroverband mit seiner Prognose für Aufsehen, wonach bis 2021 die Hälfte der Sparkassen-Filialen in Westfalen wegfallen.

In dem Beitrag fehlen m.E. die Nationalbank aus Essen, die GLS-Bank in Bochum und die Deutsche Apotheker- und Ärztebank in Düsseldorf und die “Resterampe der Genossen” , die BAG in Hamm.

Einige Analysten haben kürzlich Zweifel an der Gewinnsituation der in Bielefeld ansässigen Lampe-Bank geäußert, was von der Bank bestritten wird.

Wie in den anderen Bundesländern auch, ist die Beschäftigtenzahl im Bankgewerbe in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren gesunken. Seit 2000 ist die Zahl der Beschäftigen im Bankgewerbe von 775.000 um 20 Prozent auf 627.000 Ende 2016 zurückgegangen. Tendenz weiter fallend. Die Bankenbranche befindet sich, daran führt kein Weg mehr vorbei, auf den Spuren der Stahlindustrie.

Von Stärke und Vielfalt kann daher keine Rede (mehr) sein – weder in NRW noch im Rest der Republik.

Von Rolevinck

Ein Gedanke zu „Bankenstandort Nordrhein-Westfalen besticht durch Stärke und Vielfalt – tatsächlich?“

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