Eine Frage, die Generationen von Forschern, die sich mit der Westfälischen Geschichte beschäftigten, umtreibt, ist, welche genauen Umstände dazu geführt haben, dass die alte sächsische Region Engern im Mittelalter verschwand. Zuletzt tauchte Engern im Jahr 1815 auf:
Seit dem 12. Jahrhundert kam der Name Engern außer Gebrauch. Fortbestand hatte lediglich die Bezeichnung „Engern“ im Titel des Herrschers des jüngeren Herzogtums Sachsen („Herzog von Sachsen, Engern und Westfalen“). Mit der Übernahme Westfalens 1815 kam auch die Titulatur „Westfalen und Engern“ an den preußischen König Friedrich Wilhelm III. (Quelle: Wikipedia)
Neben Westfalen und Ostfalen war Engern der dritte sächsische Stamm.
Die Engern nahmen in Sachsen offenbar eine zentrale Stellung ein. Sie lebten an der Weser, zwischen Ostfalen und Westfalen. In ihrem Gebiet liegt die Stätte der jährlichen Versammlung von Marklo an der Weser. Der Name der Engern (lateinisch „Angarii“) scheint die verkürzte Form des Namens der Angrivarier zu sein, die demnach einen wichtigen Stamm der Sachsen bildeten. (Quelle: ebd.)
Der einzige mir bekannte Beitrag, der sich explizit der Frage des Verschwindens der Bezeichnung Engern zuwendet, ist Der Zerfall Engerns und die Schlacht im Welfesholz (1115) von Joseph Prinz.
Die Karte des Stammesherzogtums Sachsen um 1000 zeigt, welche Ausmaße die Region Engern zu diesem Zeitpunkt mit ihren Hauptorten Paderborn, Minden, Bremen, Verden, Hamburg und Meldorf hatte. Ihre Fläche war um einiges größer als die Westfalens und Ostfalens.
Anfang vom Ende Engerns war für Prinz die Schlacht am Welfesholz im Jahr 1115. Prinz begründet seine Ansicht damit, dass das engrische Bistum Paderborn durch die enge Beziehung zur mächtigsten Familie Westfalens jener Zeit, der des Grafen von Westfalen/Arnsberg, nach der Schlacht endgültig in deren Herrschaftsbereich einging und damit die Trennung zwischen Westfalen und Engern hinfällig wurde:
Schon durch die langandauernde und enge Bindung an die Familie der Grafen von Westfalen/Arnsberg wurde das engrische Bistum Paderborn mehr und mehr an Westfalen herangeführt in dem Maße, wie die ostfälischen Gaue sich mit den ostsächsischen zu einem neuen Sachsen zusammenschlossen. Wenn jetzt 1115 die Dienstmannschaften von Paderborn und Arnsberg durch ein Bündnis zusammengeführt wurden, so war damit, so meinen wir, ein weiterer Schritt auf dem Wege der Integration des Bistums Paderborn in Westfalen getan, man wird sagen dürfen, der entscheidende Schritt! Von jetzt an gehörte die Paderborner Landschaft politisch zu Westfalen. (in: Der Zerfall Engerns und die Schlacht am Welfesholz, aus: Ostwestfälisch-Weserländische Forschungen zur Geschichtlichen Landeskunde. Ausstellung des Landes Nordrhein-Westfalen Corvey 1966. Kunst und Kultur im Weserraum 800-1600, Band 3)
Das allein erklärt aber noch nicht, weshalb Engerns andere Teile ebenfalls von der Landkarte verschwanden.
Als einzige Erklärung führt Prinz an:
Engern, dessen führendes Geschlecht, die Billunger, mit Herzog Magnus, einem wenig tatkräftigen Herrn, im Jahre 1106 ausstarb, besaß in dieser kritischen Zeit des ausgehenden 11. und beginnenden 12. Jahrhunderts keinen führenden Kopf von dem Format des Grafen Friedrich von Arnsberg, der es verstanden hätte, die von den Vorfahren ererbte Machtfülle in Raumpolitik umzumünzen (ebd.)
Aber auch Friedrich von Arnsberg wurde sein größter Wunsch, die Vereinigung Westfalens und Engerns zu einer wirkungsmächtigen politischen Einheit, vom Schicksal verwehrt:
Kein Zweifel, Friedrich von Arnsberg war seiner Zeit voraus. Fast wäre es ihm bereits gelungen, was erst 1180 vollzogen wurde: die Vereinigung von Westfalen und Engern zu einer politischen Einheit. Freilich, das 1180 geschaffene Herzogtum Westfalen und Engern war kein Territorialstaat, wie er Friedrich von Arnsberg vorgeschwebt und greifbar vor Augen gestanden hatte (ebd.)
Weitere Informationen:
Zur Frage der sächsischen Stammesprovinzen