Von allen Städten Westfalens ist Münster die vornehmste, ja in ganz Deutschland gibt es keine, die ihr darin gleichkommt. Den Panzer der Mauern und Türme hat sie abgeworfen; nur zwei Zeugen mittelalterlicher Wehrhaftigkeit sind noch vorhanden: der Buddenturm, ein Gespenst alter Zeit inmitten neuerer Straßen, und der Zwinger, ein prachtvoller zyklopischer Rundbau, den ein Wappen, ein paar Fenster und eine Treppe beleben, und dem ein bequemes Ziegeldach eine Wendung ins Gemütliche gibt. Das häusliche Gewand jedoch, das die Stadt jetzt trägt, hat noch etwas von einer Rüstung. Es ist streng im Schnitt, und die Juwelen, die es schmücken, drängen sich dem Bild nicht auf. Die Häuser sind im allgemeinen schlicht, aber auch die ärmlichen sind nicht schäbig oder ordinär, und auch die reichen sind zurückhaltend. Da, wo das Ganze zum Ausdruck kommen soll, wird Pracht entfaltet, aber die Noblesse der Linie kühlt sie. Hat der Giebel des Rathauses etwas Flammendes, so hat er auch das Unnahbare dieses Elements; der Farbenton des Backsteins, der vielfach zur Verwendung kommt, ist eine burgunderdunkle Glut, ein Feuer, das Stolz gedämpft hat. Wo irgend Überschwang erscheint, wirkt er nicht als Sichgehenlassen, sondern als Schönheitsfülle, zu der Adel und Reichtum verpflichten. Münster ist eine Stadt, in deren Wappen man die Worte schreiben möchte, die im Gildensaale des Krämeramsthauses über dem Kamine stehen: Ehr is dwang nog – Ehre ist Zwang genug. Der Feie, und das ist nach der damaligen Auffassung der Edle, erträgt keinen Zwang; aber er zwingt sich selbst.

Quelle: Im alten Reich. Lebensbilder deutscher Städte

Von Rolevinck

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