Wenn BASF Coatings an Carlyle gehen sollte, hoffen viele auf Stabilität. Doch die Empirie ist eindeutig: Private-Equity-Übernahmen führen fast ausnahmslos zu Personalabbau. Für Münsters größten Industriestandort könnte das Headquarters-Trauma bedeuten – es sei denn, Schutzklauseln werden jetzt erkämpft.


Es gibt eine bemerkenswerte Diskrepanz in der öffentlichen Debatte um den geplanten Verkauf der BASF-Coatings-Sparte. Einerseits verweisen Werkleitung und Kommunikationsabteilungen beruhigend auf wirtschaftliche Stabilität, laufende Investitionen in hochautomatisierte Fabriken und die strategische Bedeutung Münster-Hiltrups als weltweit größter Lackstandort mit bis zu 2.500 Beschäftigten. Andererseits zeigt die empirische Forschung zu Private-Equity-Übernahmen ein so konsistentes Muster, dass die Frage nicht lautet, ob es zu Einschnitten kommt, sondern nur noch wann und wie tief.

Die Evidenz ist erdrückend

Umfangreiche Studien über PE-Buyouts in Deutschland, Großbritannien und den USA zeichnen ein klares Bild: In den ersten Jahren nach einer Übernahme schrumpft die Beschäftigung in bestehenden Betriebsstätten im Durchschnitt um drei bis sechs Prozent. Matched-difference-in-differences-Analysen für Deutschland belegen darüber hinaus signifikante Einbußen bei Verdiensten, wobei Angestellte, Manager und ältere Beschäftigte überproportional betroffen sind. Die Job-Reallocation – also die Summe aus Stellenabbau und -aufbau – steigt deutlich an, was auf tiefgreifende Umstrukturierungen hindeutet.

Diese Befunde sind keine Ausreißer einzelner Branchen oder Regionen, sondern ziehen sich durch nahezu alle Sektoren und Länder. Selbst wenn neue Einheiten nach dem Buyout vereinzelt Arbeitsplätze schaffen, bleibt der Nettoeffekt in den ersten zwei bis fünf Jahren negativ. Die Hoffnung, ausgerechnet BASF Coatings würde die Ausnahme bilden, ignoriert schlicht die statistische Realität.

Warum PE-Fonds abbauen – immer

Die Mechanik hinter diesem Muster ist simpel und gnadenlos effizient. Finanzinvestoren kaufen Unternehmen mit dem Ziel, sie binnen weniger Jahre mit hoher Rendite weiterzuverkaufen. Der schnellste Hebel zur Profitabilitätssteigerung ist die Kostensenkung, und Personalkosten sind in arbeitsintensiven Industrien der größte Einzelposten. Carve-outs, Portfoliofokussierung, Konsolidierung von Doppelstrukturen – all das sind Euphemismen für dasselbe: Menschen werden entlassen.

In zyklischen Branchen wie der Chemie- und Automotive-Zulieferindustrie, die 2025 unter Preisdruck und schwachem Wachstum leiden, wird dieser Reflex noch verstärkt. Überkapazitäten, stagnierende Auftragseingänge und sinkende Margen machen Personalabbau nicht nur wahrscheinlich, sondern aus Sicht des Investors zwingend. Dass selbst Carlyle intern in jüngeren Jahren massiv Personal reduziert hat – Folge schwächeren Fundraisings und eigener Portfoliofokussierung – lässt für Münster nichts Gutes erwarten.

Münsters exponierte Position

Als globaler Hauptsitz der Coatings-Sparte und mit zentralen Leitungs-, Stabs- und F&E-Funktionen ist Münster-Hiltrup besonders verwundbar. Genau diese Headquarter-Strukturen – teure Management-Ebenen, Controlling, Strategie, HR – stehen bei PE-Übernahmen regelmäßig zur Disposition. Dass BASF bereits das Sponsoring für das Lackmuseum in Münster aufgegeben hat, ist dabei mehr als nur eine Randnotiz. Solche symbolischen Rückzüge aus der lokalen Verankerung sind klassische Vorboten: Wer sich kulturell verabschiedet, bereitet auch den operativen Abschied vor.

Entweder werden die zentralen Leitungs-, Stabs- und F&E-Funktionen ins Portfolio des Käufers integriert, an günstigere Standorte verlagert oder schlicht abgebaut. Die Illusion, Münster sei „zu wichtig“, um angefasst zu werden, verkennt, dass Finanzinvestoren nicht nach industriepolitischen, sondern nach renditegetriebenen Logiken entscheiden.

Selbst die viel gepriesene High-Runner-Fabrik, die im Oktober 2025 in Betrieb gehen soll, bietet keine Garantie. Moderne, hochautomatisierte Anlagen brauchen weniger Personal – genau das ist ihr Sinn. Und Investitionen in Effizienz sind für PE-Fonds kein Indikator für Beschäftigungssicherung, sondern für Profitmaximierung. Nachhaltigkeit und ESG-Compliance, die in der Kommunikation gern betont werden, mögen die Vermarktung erleichtern, ändern aber nichts am Kerngeschäft: Kosten senken, Exit vorbereiten.

Die Illusion der Ausnahme

Natürlich gibt es Nuancen. Nicht jeder Buyout verläuft identisch, und die Intensität des Abbaus hängt von Finanzierungslast, Kundenverträgen und der strategischen Agenda des Investors ab. Theoretisch könnte Carlyle Münster als „Lead Plant“ positionieren, Wachstumsfelder wie nachhaltige Lacktechnologien ausbauen und Skaleneffekte nutzen, statt zu konsolidieren. Theoretisch.

Praktisch aber sind solche Szenarien statistisch so selten, dass darauf zu hoffen fahrlässig wäre. Wo keine expliziten Standort- und Beschäftigungssicherungen verhandelt werden, greift die PE-Logik ungebremst. Und selbst wenn Carlyle anfangs Zurückhaltung übt, bleibt die Frage: Was passiert beim nächsten Exit? PE-Fonds sind Durchgangsstationen, keine dauerhaften Eigentümer. Jeder Weiterverkauf öffnet die Tür für neue Konsolidierungsrunden.

Was jetzt zu tun wäre

Die größten Risiken liegen in den ersten zwei bis fünf Jahren nach Closing. Das Zeitfenster für wirksame Gegenmaßnahmen ist schmal und schließt sich schnell. Betriebsräte, Gewerkschaften und lokale Politik müssen jetzt – vor Signing, vor Closing – belastbare Vereinbarungen erkämpfen: Investitionszusagen mit klaren Volumina und Zeitplänen, Standortgarantien mit mehrjährigen Laufzeiten, Schutzklauseln gegen Verlagerungen von Headquarter-Funktionen.

Ohne solche Klauseln ist die Hoffnung auf Münster als Ausnahme von der PE-Regel genau das: eine Illusion. Die Empirie kennt keine Sentimentalität. Wer glaubt, ausgerechnet dieser Deal würde anders verlaufen, sollte sich fragen: Warum? Was ist diesmal grundlegend anders? Die Antwort lautet: nichts.
Münster kann sich auf harte Zeiten vorbereiten – oder auf die nächste Hiobsbotschaft warten. Die Wahl sollte leicht fallen.


Quellen:

BASF kann Lack-Geschäft wohl an Investor losschlagen

Münster: BASF prüft Zukunft der Coatings-Sparte

BASF setzt auf strategische Neuausrichtung trotz wirtschaftlicher Herausforderungen

Carlyle Said to Emerge as Frontrunner to Buy BASF Coatings Unit

From Wall Street to work floor: How private equity buyouts affect workers

The Employment Consequences of Private Equity Acquisitions: The Case of Institutional Buy Outs

Von Rolevinck

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