Von Ralf Keuper
Bei Alfred Colsman handelt es sich um eine außergewöhnliche (Unternehmer-) Persönlichkeit. Auf ihn geht u.a. die Gründung der Zahnradfabrik Friedrichshafen (ZF) und der Dornier-Metallbauten GmbH zurück. Aus letzterer ging unter Claude Dornier der spätere Dornier-Konzern hervor. Ferner gilt Colsman als Architekt des Zeppelin-Konzerns und Vater der industriellen Entwicklung Friedrichshafens.
Daneben gründete er die erste Fluggesellschaft der Welt: die Deutsche Luftschiffahrts Aktiengesellschaft (DELAG). Studienreisen führten ihn auch in die USA, wo er sich einen Eindruck von der Massenfertigung verschaffen wollte. So besuchte er die Ford-Werke und lernte dabei Henry Ford persönlich kennen. Außerdem knüpfte er geschäftliche Kontakte mit der Goodyear-Corporation. Rudolf Kaefer schreibt dazu in Alfred Colsman: Ein ungewöhnlicher Unternehmer 1873-1955:
Erste Eindrücke der taylorisierten Massenproduktion gewann er beim Autohersteller Henry Ford und bei der Reifenfabrik Goodyear. Deren Schattenseiten erkannte er sofort. Die Handgriffe waren stark spezialisiert und reduziert, die Arbeit extrem atomisiert und durch das Fließband so beschleunigt, dass nur junge kräftige Männer beschäftigt werden konnten, weil Arbeiter älter als 40 Jahre dem schnellen Arbeitstempo körperlich nicht mehr gewachsen waren. Ford war überzeugt, dass seine Methode der Massenfertigung auf alle Produktionsbereiche übertragbar sei. Colsman blieb jedoch so nüchtern, um zu erkennen, dass sich Luftschiffe und Flugzeuge nicht am Fließband montieren lassen. Die Zahl der Einzelteile war viel höher als bei den einfachen Fordwagen und verlangte individuelle Präzisionsarbeit, welche die zu Handlangern verkümmerten Fließbandarbeiter nicht zu leisten vermochten.
Seinen Lebensabend verbrachte Alfred Colsman in seiner Heimatstadt Werdohl. Seine Interessen waren weit gespannt. Neben der Literatur und der Natur zählte dazu auch die Heimatforschung. So ist Colsman der Verfasser einer Heimatkunde Werdohls. Die Motivation hierzu entspringt dabei keineswegs plumper Heimat-Tümelei:
Ungewöhnlich war schließlich auch seine Weitsicht, die ihn als Unternehmer und politisch denkenden Menschen auszeichnete. Fragt man sich, woher er diese nahm, dann findet man eine Erklärung in seiner intensiven Hinwendung zur Vergangenheit und besonders zur Heimatgeschichte. Er begründet diese Bemühen unter anderem mit der Erkenntnis, dass junge Menschen keine Ahnung haben, wie ungemein primitiv und arm die Menschen in der vorindustriellen Gesellschaft leben mussten und ihnen damit jeder Maßstab fehlt zur Bewertung der Gegenwart und dass der Rückblick in die Vergangenheit die Welt jenen reicher erscheinen lässt, welche auch die Schatten der Vorzeit auf ihr wandeln sehen.
Bis dato wohl einer der am meisten unterschätzten Unternehmer des 20. Jahrhunderts.
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