Von Ralf Keuper
Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von Unternehmern, die nach einem beispiellosen, rasanten Aufstieg scheitern und in Vergessenheit geraten. Indes, nicht wenige von ihnen haben durch ihr vergleichsweise kurzes Wirken, ihre und die nachfolgende Zeit mehr geprägt, als manch ein Familienunternehmen, das sich, nachdem es über mehrere Generationen geführt wurde, in ein „Family Office“ wandelt. Um so einen Fall handelt es sich bei dem „Eisenbahnkönig“ Henry Bethel Strousberg.
Während der Expansion seines Firmenimperiums wurde Strousberg auch in Westfalen, genauer Dortmund aktiv. Sein Blick richtete sich auf die Dortmunder Hütte:
Strousberg hatte Arbeit nach Dortmund gebracht. 1868, unter dem Vorbesitzer, waren 812 Arbeiter in der Hütte beschäftigt, Ende 1869 werden es 1.300 und Mitte 1870 rund 1.500 sein. Und er baute für die Arbeiter Wohnungen, auf einem Areal von 62 Morgen .., also genug für eine kleine Arbeiterstadt; er bestellte dafür 20 Millionen Ziegelsteine. … (Quelle:Der europäische Eisenbahnkönig Bethel Henry Strousberg von Jochaim Borchart)
Das Engagement Strousbergs in Dortmund blieb in den überregionalen Tageszeitungen nicht unkommentiert:
Der Kauf einer Hütte durch den Mann, der bisher nur Eisenbahnen gebaut hatte, erregte Aufsehen, eine Stimme der Fachpresse sei zitiert: das „Seifenblasendasein der Dortmunder Eisenbahn-Etablissements“ finde nun sein Ende, Strousberg sei zur Zeit der „größte Eisenkonsument“ und sein Interesse sei offenbar, in Westfalen Eisen und Stahl billiger herzustellen, als die Importe aus England kosten, und durch Erweiterung der Kapazität in Dortmund sollen dort mehr Eisenbahnschienen als bisher produziert werden .. (ebd.).
Schon wenige Jahre später musste Strousberg jedoch die Dortmunder Hütte verkaufen:
Strousberg ging zügig an den Ausbau des Werkes. Doch die Früchte seiner Arbeit nich ernten. 1872 war er infolge seiner finanziellen Bedrängnis bei den Rumänischen Eisenbahnen, gezwungen, die Dortmunder Hütte zu verkaufen (ebd.).
Käufer der Dortmunder Hütte war die Dortmunder Union. Die Wirtschaftspresse erwähnte den Konzernarchitekten fortan nicht mehr:
Dass es Strousberg gewesen war, der diese Aufbauarbeit geleistet hatte, wurde in dem Artikel mit keinem Wort erwähnt, vielmehr musste der Leser den Eindruck gewinnen, es sei dies die Leistung der Dortmunder Union. Der „einheitliche Plan“, von dem der Artikel sprach, konnte nur von Bethel Henry Strousberg stammen, weil alle Neuheiten im Werk entweder fertig oder im Bau waren, als Strousberg die Hütte an „Union“ abgab. Strousberg hatte bei der Hütte auch bedeutende Produktions- und Umsatzsteigerungen erzielt (ebd.).