Von Ralf Keuper
Als wäre der IT-Standort Paderborn nicht schon gebeutelt genug, da kommt eine weitere Hiobsbotschaft: Wie u.a. die NW berichtete, hat der Fertigungsdienstleister für elektronische Komponenten (EMS), Periscope, der in Paderborn 330 Mitarbeiter beschäftigt, Insolvenz angemeldet. Der Sanierungsprozess soll nun im sog. Eigenverwaltungsverahren durchgeführt werden.
Das Unternehmen wird wegen der Einleitung des Insolvenzverfahrens von der IG Metall heftig kritisiert, wie die NW ebenfalls berichtete.
In einem Interview mit Elektroniknet im September 2014 gab der CEO der Selcom-Gruppe, Markus Roschel, Auskunft über die Absichten der Investorengruppe 4K Invest, zu der sowohl Selcom wie auch Periscope gehören:
Wie gesagt: Wir müssen unsere Kostenstrukturen verbessern und das betrifft alle Bereiche des Unternehmens. Dazu bekommen wir von unserem Investor 4K Invest ein erfahrenes Restrukturierungsteam zur Seite gestellt, mit dem wir gemeinsam die Einsparpotenziale schnell erkennen und realisieren.
Es ist natürlich unser kurz- und mittelfristiges Ziel auch über den Umsatz wieder zu wachsen. Paderborn ist für uns nicht irgendein weiterer Standort, sondern der Standort Nummer 1! Wir haben mehr Flexibilität, als es im Konzernverbund möglich war. Wir können flexibler und schneller agieren.
Das haben wir alles schon mal gehört – von Siemens Nixdorf über Fujitsu-Siemens, Fujitsu, Diebold-Nixdorf, Atos …
Was für den Standort Paderborn den Ausschlag gab:
Technologische Kompetenz und das KnowHow der Mitarbeiter. Wir sind hier in der Lage Boards zu fertigen, die technologisch sehr anspruchsvoll sind, zum Beispiel für Automotive und Industrieanwendungen. Ich kann mit Fug und Recht sagen, dass wir hier Boards fertigen, die nicht jeder fertigen kann. Unser Fertigungsspektrum geht bis hin zu komplexen Komplettgeräten, die direkt an den Endkunden des Kunden ausgeliefert werden.
Kommt mir auch irgendwie bekannt vor.
Von außen schwer zu sagen, was der Grund für die derzeitige Misere ist. Es ist m.E. zu einfach, sie allein dem Investor anzulasten. Die strategischen Optionen waren bereits zu Anfang begrenzt. Hat man den Markt, vor allem das Segment Mittelstand, falsch eingeschätzt? Dass Synergien meistens nur auf dem Papier bestehen, gilt nicht nur für Periscope, Selcom und Finanzinvestoren.
Das Geschäftsmodell der Electronics Engineering & Manufacturing Services (EMS) hat durchaus seinen Reiz, wie aus dem etwas älteren Beitrag Status und Erfolgsfaktoren der EMS-Branche hervorgeht. Der Markt ist mir (noch) zu wenig vertraut, um ein Urteil abgeben zu können. Es dürfte aber einfachere Branchen geben 😉
Jedenfalls wird der IT-Standort Paderborn von jeder Welle des Abschwungs mit voller Wucht erfasst, was die Vermutung nahe legt, dass wir hier keinen ausgewogenen Mix haben bzw. zu wenig Unternehmen, die in echten Wachstumsmärkten unterwegs sind. Ein Punkt, auf den in diesem Blog bereits hingewiesen wurde, wie in:
- Paderborn: Ein IT-Standort am Scheideweg
- Die bedenkliche Pfadabhängigkeit des IT-Standorts Paderborn
Da hätte man sich in der Vergangenheit mehr Impulse von der Wirtschaftsförderung gewünscht. Das scheint mittlerweile wohl auch die Auffassung des Bürgermeisters zu sein.
Der IT-Cluster Paderborn hat eine zu geringe Diversität. Er ist zu krisenanfällig.
Weitere Informationen:
Stadt Paderborn sucht neue Geschäftsleitung der Wirtschaftsförderungsgesellschaft (WfG)
125 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz: IT-Werk macht in Paderborn dicht