Vom Schalker Kreisel bis zum Wundersprung von Stockholm, von der Bobbahn in Winterberg bis zum Deutschland-Achter in Dortmund: Westfalen ist weit mehr als eine Fußballprovinz. Ein Streifzug durch eine Region, die den deutschen Sport geprägt hat wie kaum eine andere.​


Wer über Sport in Westfalen schreibt, kommt am Fußball nicht vorbei – und doch greift zu kurz, wer die Region darauf reduziert. Denn tatsächlich ist keine andere Sportart so innig mit dieser Landschaft verwoben wie der Reitsport. Das Sinnbild dieser Verbindung trägt zwei Namen: Hans Günter Winkler und Halla. Der erfolgreichste Springreiter aller Zeiten und seine legendäre Stute aus Warendorf schrieben 1956 in Stockholm Sportgeschichte, als Winkler trotz schwerer Verletzung im Sattel blieb und Halla ihn gleichsam allein zum Olympiasieg trug. Bis heute pilgern jeden Herbst Tausende zu den Hengstparaden nach Warendorf, wo die Bundeswehr-Sportschule residiert und das Pferd noch immer als Kulturgut gilt. Aus Münster stammt Reiner Klimke, der siegreichste Dressurreiter der Welt, dessen Eleganz im Viereck Maßstäbe setzte.

Doch natürlich: Der Fußball bleibt der Dauerbrenner, und nirgendwo schlägt sein Herz lauter als im Ruhrgebiet. Die Rivalität zwischen Borussia Dortmund und Schalke 04 ist mehr als sportliche Konkurrenz – sie ist Ausdruck zweier Lebensgefühle, die sich in unmittelbarer Nachbarschaft entwickelt haben. Besonders markant: Dortmund, Schalke 04 und Preußen Münster zählen zu den Gründungsmitgliedern der Bundesliga 1963/64, und der entscheidende Gründungsbeschluss des DFB fiel am 28. Juli 1962 im Dortmunder Westfalenhallen-Goldsaal.

Lange Zeit stand der BVB im Schatten des königsblauen Rivalen. Ernst Kuzorra, Erfinder des legendären „Schalker Kreisels“, führte die Knappen sechsmal zur Deutschen Meisterschaft und prägte eine Spielphilosophie, die weit über Gelsenkirchen hinaus wirkte – zuletzt Meister 1958. Namen wie „Stan“ Libuda, Rüdiger Abramczik, Klaus Fischer und Olaf Thon schrieben die Schalker Vereinschronik fort. Dass die Schale seit über 67 Jahren nicht mehr nach Gelsenkirchen kam, gehört zu den großen Tragödien des deutschen Vereinsfußballs; aktuell kämpft Schalke in der 2. Bundesliga um den Aufstieg.​

Für Dortmund stehen andere Helden: Lothar „Emma“ Emmerich, dessen Schuss wie aus der Kanone kam, und Torwartlegende Hans Tilkowski, der 1966 im Wembley-Finale jenen Ball hielt, der nicht zu halten war. Mit dem Double 2012 und starken Saisons wie Platz 3 nach 12 Spieltagen 2025/26 trat der BVB endgültig aus dem Schatten des Rivalen. Eine Generation „Dortmunder Jungs“ um Kevin Großkreutz und Marco Reus verkörperte dabei jene emotionale Erdung, die den Verein so besonders macht; Reus holte 2025 mit LA Galaxy den MLS-Cup, Großkreutz ist im Amateurbereich aktiv. Dass „Kalle“ Rummenigge sein Glück in München suchte und fand, wo er seit 2023 im Aufsichtsrat des FC Bayern wirkt, zeigt: Westfalen hat immer auch Talente exportiert. Dettmar Cramer etwa, Dortmunder Kind und von Franz Beckenbauer zum „Fußball-Professor“ geadelt, Bernard Dietz, die verlässliche Größe beim MSV Duisburg und später bei Schalke, oder Hermann Gerland, einst beim VfL Bochum aktiv, der bis Juli 2025 Co-Trainer der U21-Nationalmannschaft war und nun in den Ruhestand ging. Im Frauenfußball hat sich der TSV Siegen den Ruf eines „FC Bayern des Frauenfußballs“ erworben.​

Weitere Fußball-Highlights aus Westfalen:

  • SC Paderborn 07 mit Aufstiegen in die Bundesliga (2014, 2019) und starken Zweitliga-Saisons, aktuell Platz 2 in der 2. Bundesliga.​
  • Arminia Bielefeld, mehrfacher Aufstiegsheld, mittlerweile Platz 11 in der 2. Bundesliga 2025/26.​
  • Preußen Münster als Aufsteiger in der 2. Liga, mit Tradition als Westfalenmeister und Amateurmeister 1994, aktuell Platz 9.​
  • VfL Bochum als stabiler Bundesliga-Verein seit 2021, derzeit Platz 12 in der 2. Bundesliga nach Abstieg.​

Jenseits des Rasens zeigt Westfalen sportliche Vielfalt, die überrascht. Im Handball zählt der TBV Lemgo mit zwei Deutschen Meisterschaften und dem DHB-Pokal 2020/21 zu den Traditionsclubs der Liga, während im Mindener Land eine dichte Vereinslandschaft gedeiht, angeführt vom Bundesligisten GWD Minden mit dreimaliger Meisterschaft; ergänzt durch ASV Hamm-Westfalen mit einem Meistertitel in der 2. Bundesliga. Phoenix Hagen vertritt die Region im Basketball der ProA (2. Liga) seit der Insolvenz 2016, beherbergt zugleich den Deutschen Basketball Bund – die Paderborn Baskets blieben ein kurzes Intermezzo im Oberhaus.​​

Besonders eindrucksvoll liest sich die Geschichte des USC Münster: Von 1965 bis 1972 gewannen die Volleyballerinnen ununterbrochen die Deutsche Meisterschaft, eine Serie, die ihresgleichen sucht; die letzten Titel kamen 2004 und 2005. Von Rekord zu Rekord eilt der DBC Bochum, der das Poolbillard in Deutschland seit Jahren beherrscht – eine Dominanz, die im Wasserball der SV Blau-Weiß Bochum spiegelt. Im Eishockey mischen die Iserlohn Roosters und die Dortmunder Eisadler mit, während Paderborn sich als Hochburg zweier Randsportarten etabliert hat: Der Paderborner Squash-Club holte bereits mehrere Deutsche Meisterschaften, die Untouchables gehören zu den erfolgreichsten Baseball-Vereinen des Landes.​

Für den Wintersport ist das Sauerland zuständig. Winterberg mit seiner Wintersport-Arena, der St.-Georg-Schanze und der Bobbahn zählt zu den führenden Wintersportorten Deutschlands – hier werden Weltcups ausgetragen, wie 2026 geplant, und Olympiasieger geformt. Am anderen Ende des sportlichen Spektrums steht der TV Wattenscheid 01, einer der erfolgreichsten Leichtathletikvereine der Republik, Talentschmiede und Medaillenfabrik in einem.​

Und dann ist da noch der Deutschland-Achter, jenes Boot, das wie kein anderes für deutsche Ruder-Dominanz steht. In Dortmund residiert und trainiert die Mannschaft, deren Siege bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen längst nicht mehr zu zählen sind. Der Olympiastützpunkt Westfalen und die Sportschule Kaiserau komplettieren eine Infrastruktur, die Spitzenleistungen ermöglicht.

Nicht zu vergessen, fast als Fußnote und doch bezeichnend: der Schachsport. Denn auch am Brett wird in Westfalen um Punkte gekämpft, mit jener Ernsthaftigkeit, die diese Region auszeichnet.

Westfalen, so ließe sich resümieren, ist keine Sportlandschaft der lauten Töne. Hier wird nicht geprotzt, hier wird gearbeitet – auf dem Pferd wie am Ball, im Becken wie auf der Schanze. Es ist diese Mischung aus Bodenständigkeit und Ehrgeiz, aus Tradition und Triumph, die den westfälischen Sport so besonders macht. Und die erklärt, warum aus dieser Region immer wieder Athleten hervorgehen, die Geschichte schreiben.

Von Rolevinck

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