Von Ralf Keuper

“Viel erreicht – wenig gewonnen” – so lautet der Titel eines Buches, das vor einiger Zeit für Aufsehen gesorgt hat. Darin attestieren die Autoren Jörg Bogumil u.a. dem Ruhrgebiet zwar einige Fortschritte beim langwierigen und zähen Strukturwandel, nur fällt der Ertrag der vielen Bemühungen, gemessen an der Zahl der Arbeitsplätze und der Kaufkraft, bescheiden aus. Als einen der Gründe machen die Autoren das im Ruhrgebiet nach wie vor weit verbreitete Kirchturms-Denken aus und ernten damit neben Widerspruch auch viel Zustimmung.

Bei aller berechtigten Kritik der Struktur- und Kommunalpolitik der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, kommt die Tatsache zu kurz, dass die Region über eine beachtliche Zahl aufstrebender und innovativer Unternehmen verfügt, die ein anderes Bild zeichnen. Zwar reicht es noch nicht, den Aderlass durch den Niedergang der Schwerindustrie auszugleichen, jedoch liefern die Beispiele genügend Stoff, um zuversichtlich zu sein.

Grund dafür ist auch, dass die Region über ein dichtes Netz an Universitäten und Forschungseinrichtungen verfügt, das von der größten Universität Deutschlands, gemessen an der Zahl der eingeschriebenen Studenten, der FernUni Hagen bis zur ersten Privatuni Deutschlands, der Uni Witten-Herdecke reicht. Daneben bzw. dazwischen sind es die Technische Universität Dortmund und die RuhrUni Bochum, die Westfälische Hochschule wie auch die neuen Hochschulen Ruhr West und Hamm-Lippstadt, die der Wissenschaft im Ruhrgebiet ein Gesicht geben.

Kaum ein Projekt der letzten Jahre verdeutlicht den Wandel der Region zum Technologiestandort so sehr wie das Technologiezentrum Dortmund, das als eines der erfolgreichsten seiner Art in Europa gilt. Dortmund ist nicht nur einer der führenden Standorte für die Mikrosystemtechnik, sondern auch als Logistikstandort von überregionaler Bedeutung.

Beispielhaft für den Wandel stehen Unternehmen wie die adesso AG und die Materna AG, die zu den größten IT-Beratungs- und Systemintegrationsunternehmen Deutschlands zählen. Der Dortmunder Halbleiterhersteller Elmos Semiconductor AG hat sich mit großem Erfolg auf vollintegrierte Mixed-Singal Lösungen (ASCISs) spezialisiert. Das alles trägt mit dazu bei, dass Dortmund inzwischen einer der größten IT-Standorte Deutschlands ist. Aber nicht nur das: Mit dem Pumpenhersteller Wilo SE, der erst kürzlich bekannt gab, in Dortmund kräftig investieren zu wollen und dem weltweit tätigen Ingenieurunternehmen Uhde, sind weitere zukunftsträchtige Branchen in der Region beheimatet. Größter deutscher Übertragungsnetzbetreiber ist die Amprion GmbH. Im Rest der Republik weitgehend unbekannt ist, dass Dortmund u.a. mit der Signal-Iduna-Gruppe und Continentale auch ein wichtiger Versicherungsplatz ist. An die Tradition der Schwerindustrie des Ruhrgebiets knüpfen die Montanhydraulik-Gruppe aus Holzwickede und die Eickhoff-Gruppe aus Bochum, Weltmarktführer bei Hochleistungsmaschinen für Bergbautechnik, an. Aus Bochum stammt auch die GEA AG, die sich auf Technologien im Wärme- und Stoffaustausch konzentriert und damit im Jahr 2011 ca. 5.5 Mrd. Euro umsetzte bei weltweit 23.000 Mitarbeitern. In Bochum hat auch die Deutsche BP ihren Sitz ebenso wie die G Data Software AG, laut eigener Aussage “eines der erfolgreichsten und ältesten Sicherheitssoftware-Unternehmen der Welt”. Nicht zu vergessen die Wollschläger-Gruppe, Beschaffungsdiensteistungsunternehmen und Systemanbieter für die Materialwirtschaft.

Die größte inhabergeführte Parfümerie-Kette Deutschlands ist Pieper aus Herne. Eine der größten Drogerieketten hierzulande ist die Douglas Holding aus Hagen. Aus Hagen stammt auch die erste deutsche Ölfabrik, die Carl Bechem GmbH. In den Mauern der Stadt feiert in diesem Jahr Brandt-Zwieback sein 100jähriges Bestehen. Mit ihren chemischen Baustoffen wurde die Ardex AG aus Witten Weltmarktführer. Der größte Arbeitgeber der Stadt ist die Deutsche Edelstahlwerke GmbH. Für viele überraschend ist, dass der größte unabhängige Fahrzeugtuner, die Brabus GmbH, aus Bottrop kommt. Mit ihren Schließsystemen eroberte Dorma aus Enneptal weltweit die Spitzenposition. Weltmarktführer im Bereich der Vorhang- und Zweiradschlösser ist ABUS. Überhaupt gilt das Unternehmen aus Wetter-Volmarstein als führend in der Sicherheitstechnik.

Die älteste Schraubenfabrik Deutschlands, bekannt durch ihre Marke SPAX, ist Altenloh, Brinck & Co. in Ennepetal. Wohl kaum ein Unternehmen ist so eng mit der Geschichte des Ruhrgebiets verbunden wie die Ruhrkohle AG (RAG) in Herne, die sich auch nach dem Ende des Steinkohlebergbaus am Markt behaupten will. Dazu sollen die Bereiche Energieerzeugung (Pumpkraftwerke) und der umfangreiche Immobilienbesitz beitragen. Eines der größten Trinkwasserversorgungsunternehmen Deutschlands ist die Gelsenwasser AG aus Gelsenkirchen. Ebenfalls im Bereich Entsorgung aktiv ist mit Remondis die familiengeführte Rethmann-Gruppe aus Lünen, die mit 45.000 Mitarbeitern über 10 Mrd. Euro umsetzt. Bereits im Jahr 1895 gegründet, ist die Westfälische Drahtindustrie (WDI) einer der größten Arbeitgeber in Hamm.

In letzter Zeit mit eher negativen Schlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht hat der Fleisch- und Wurstwarenhersteller Zimbo aus Bochum.

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