Der Medienkonzern Bertelsmann bewegt sich seit den 2000er Jahren in einer Umsatzspanne zwischen 16 und 20 Milliarden Euro, ohne nachhaltiges Wachstum zu erzielen. Inflationsbereinigt fällt die Bilanz noch ungünstiger aus und wirft Fragen zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit auf.


Die Fakten zur Umsatzentwicklung

Bertelsmanns Umsatzentwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte lässt sich als Phase der Stagnation charakterisieren. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: 2003 verzeichnete das Unternehmen einen Umsatz von rund 16,2 Milliarden Euro. Vier Jahre später, 2007, erreichte der Konzern erstmals knapp 19 Milliarden Euro. In der folgenden Dekade von 2011 bis 2019 pendelte der Umsatz zwischen 17 und 18,7 Milliarden Euro. Den vorläufigen Höchststand markierte das Jahr 2022 mit 20,2 Milliarden Euro, bevor die Zahlen 2023 und 2024 wieder auf etwa 19 Milliarden Euro zurückgingen – eine Entwicklung, die teilweise durch Unternehmensverkäufe wie den der Majorel-Sparte beeinflusst wurde.

Das organische Wachstum bewegt sich Jahr für Jahr in einem schmalen Korridor von zwei bis vier Prozent. Diese Schwankungen resultieren primär aus einzelnen Akquisitionen oder Veräußerungen, ohne dass ein dauerhafter Durchbruch zu verzeichnen wäre. Die Umsatzdynamik bleibt über die gesamte Periode hinweg schwach ausgeprägt.

Sicher – dagegen ließe sich einwenden, dass Bertelsmann damals, um den Großaktionär Albert Frère mit seinem 25prozentigen Anteil herauszukaufen, einige Unternehmensteile, wie BMG, veräußern musste. Nur dann stellt sich jedoch noch immer die Frage, was denn aus den 16 Mrd. DM, die Bertelsmann aus dem Verkauf seines AOL-Anteils erlöste, geworden ist. In steigenden Umsätzen hat sich das jedenfalls nicht niedergeschlagen.

Bewertung im Branchenkontext

Im direkten Vergleich mit anderen internationalen Medienkonzernen wird Bertelsmanns unterdurchschnittliche Performance deutlich. Während Unternehmen wie Disney oder Netflix in den vergangenen zwei Jahrzehnten erhebliches Wachstum verzeichneten und ihre Geschäftsvolumina substantiell ausbauten, verharrte Bertelsmann in seiner etablierten Größenordnung. Diese Entwicklung wirft Fragen zur strategischen Ausrichtung und Marktpositionierung auf.

Dennoch zeigt sich das Unternehmen in anderen Kennzahlen stabiler: Das operative Ergebnis bewegt sich seit Jahren auf solidem Niveau, mit Konzerngewinnen, die regelmäßig die Milliarden-Euro-Marke überschreiten. Strategische Investitionen werden kontinuierlich getätigt, und die internationale Präsenz wurde ausgebaut. Diese Faktoren sprechen für eine solide operative Führung, können jedoch die mangelnde Umsatzdynamik nicht kompensieren.

Die inflationsbereinigte Realität

Betrachtet man die Zahlen inflationsbereinigt, verschärft sich die kritische Einschätzung erheblich. Der nominale Umsatzanstieg von etwa 16 auf 19 Milliarden Euro entspricht einem Wachstum von rund 19 Prozent über mehr als zwei Jahrzehnte. Dem steht eine durchschnittliche europäische Inflation von etwa zwei Prozent pro Jahr gegenüber, was kumuliert einer Teuerung von 50 bis 60 Prozent entspricht.

Diese Diskrepanz führt zu einer ernüchternden Erkenntnis: Kaufkraftbereinigt steht Bertelsmann heute schlechter da als vor zwei Jahrzehnten. Trotz gelegentlicher nominaler Rekordwerte ist der reale Umsatz gesunken, d.h. Bertelsmann ist es nicht einmal gelungen, im Rahmen der Inflation zu wachsen. Das organische Wachstum der letzten Jahre von meist ein bis drei Prozent jährlich entspricht kaum der Teuerungsrate, geschweige denn einem substanziellen Wertzuwachs.

Fazit: Erfolg neu definiert?

Bertelsmanns Entwicklung der vergangenen zwei Jahrzehnte verdeutlicht die Komplexität unternehmerischer Erfolgsmessung. Während Rentabilität und Eigenkapitalquote solide Werte aufweisen und die internationale Ausweitung vorangetrieben wurde, bleibt die fundamentale Frage nach der langfristigen Wachstumsfähigkeit bestehen.

Die stagnierende Umsatzentwicklung, verschärft durch die inflationsbereinigte Betrachtung, entspricht nicht den üblichen Maßstäben unternehmerischen Erfolgs. Im internationalen Wettbewerbsumfeld, in dem Dynamik und Expansion als Grundvoraussetzungen gelten, steht Bertelsmann vor der Herausforderung, seine wirtschaftliche Substanz nicht nur zu erhalten, sondern wieder zum Wachstum zu führen. Die Bilanz der vergangenen Jahre fällt entsprechend kritisch aus und wirft Fragen zur strategischen Neuausrichtung des Traditionsunternehmens auf.

Die langfristig stagnierende und inflationsbereinigt rückläufige Umsatzentwicklung bei Bertelsmann – während globale Wettbewerber wachsen – ist für ein Unternehmen dieser Größenordnung bedenklich. Sie signalisiert, dass Bertelsmann strukturellen Herausforderungen gegenübersteht und an Wettbewerbsdynamik einbüßt.

Risiken und Problemfelder

  • Die Marktmacht internationaler Konzerne nimmt zu, was Bertelsmanns Stellung im globalen Medien- und Dienstleistungsmarkt zunehmend schwächt.
  • Fehlende organische Wachstumsimpulse deuten darauf hin, dass die Innovationskraft, die Fähigkeit zur Expansion in neue Geschäftsfelder sowie die strategische Ausrichtung hinter der internationalen Konkurrenz zurückbleiben.
  • Im Vergleich zu anderen Konzernen ist das reale Wachstum bei Bertelsmann niedrig und das Unternehmen kann nur kurzfristig – etwa durch Portfolioverkauf oder Sondereffekte – mit Gewinnzuwachs glänzen, nicht aber durch nachhaltige organische Entwicklung.

Mögliche Folgen

Eine solche Entwicklung kann die künftige Investitionsfähigkeit, die Flexibilität in Krisenzeiten und die Anziehungskraft als Arbeitgeber beeinträchtigen.

Darüber hinaus droht langfristig ein Bedeutungsverlust gegenüber agilen, wachsenden Technologiekonzernen, die den Medienmarkt zunehmend dominieren.


Entwicklung der Mitarbeiterzahlen 

Die Bertelsmann SE & Co. KGaA verzeichnete zwischen Ende 2023 und Ende 2024 einen erheblichen Rückgang der weltweiten Mitarbeiterzahl von 80.418 auf 74.607 Beschäftigte. Dieser Personalabbau um rund 5.800 Stellen innerhalb eines Jahres spiegelt die tiefgreifenden strukturellen Veränderungen wider, denen sich der Medienkonzern im Rahmen seiner strategischen Neuausrichtung unterzogen hat.

Primäre Ursachen des Mitarbeiterrückgangs

Der bedeutendste Faktor für den Personalrückgang liegt in der konsequenten Portfoliobereinigung des Konzerns. Neben dem bereits bekannten Verkauf von Majorel führte insbesondere die Veräußerung der DDV Mediengruppe zu einer substanziellen Reduktion der Mitarbeiterzahl. Diese Desinvestitionen sind Teil einer systematischen Konzentration auf Kerngeschäftsfelder.

Parallel dazu implementierte Bertelsmann umfassende Restrukturierungsmaßnahmen zur Effizienzsteigerung. Diese Optimierungen von Geschäftsprozessen machten an verschiedenen Standorten Stellenkürzungen erforderlich und verdeutlichen den Fokus des Unternehmens auf operative Exzellenz.

Strukturelle Anpassungen in traditionellen Geschäftsbereichen

Besonders einschneidend war die vollständige Einstellung des Tiefdruckgeschäfts durch die Stilllegung des Prinovis-Standorts in Ahrensburg. Diese Maßnahme symbolisiert den grundlegenden Wandel in der Medienlandschaft und Bertelsmanns Reaktion auf veränderte Marktbedingungen.

Das traditionelle Druck- und Direktmarketinggeschäft steht unter anhaltendem Umsatzdruck. Die seit Jahren rückläufigen Erlöse in diesen Bereichen führen zu weiteren Personalanpassungen, da das Unternehmen auf nachhaltige Rentabilität ausgerichtet ist.

Technologischer Wandel als Treiber

Die fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung von Arbeitsprozessen reduziert den Bedarf an manueller Arbeitskraft erheblich. Bertelsmann passt seine Belegschaftsstruktur an diese technologischen Entwicklungen an, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

Der Fachkräftemangel in bestimmten Bereichen sowie die Verlagerung von Aufgaben führten zusätzlich zu Veränderungen in der Stellenstruktur. Das Unternehmen konzentriert sich verstärkt auf digitale Angebote und internationalen Ausbau.

Strategische Neuausrichtung

Die seit 2021 verfolgte „Boost-Strategie“ sieht explizit Zusammenlegungen und Verkäufe von Geschäftseinheiten vor. Ziel ist die Schaffung eines schlankeren, zukunftsfähigen Unternehmensportfolios, das den Herausforderungen des digitalen Zeitalters gewachsen ist.

Bewertung

Der dramatische Personalrückgang bei Bertelsmann reflektiert nicht primär konjunkturelle Schwierigkeiten, sondern einen strategisch geplanten Transformationsprozess. Das Unternehmen vollzieht den Übergang von einem traditionellen Medienkonzern zu einem fokussierten, digitalisierten Unternehmen. Die Zahlen verdeutlichen die Konsequenz, mit der diese Neuausrichtung umgesetzt wird.

Die Entwicklung zeigt exemplarisch, wie etablierte Medienunternehmen auf die Herausforderungen der Digitalisierung reagieren: durch Portfoliobereinigung, Prozessoptimierung und strategische Neuausrichtung auf zukunftsfähige Geschäftsfelder. Ob diese Strategie langfristig erfolgreich sein wird, hängt maßgeblich davon ab, inwiefern Bertelsmann die verbleibenden Ressourcen effektiv in wachstumsstarke Bereiche investieren kann, was bisher nicht wirklich gelungen ist, wie die Umsatzentwicklung der letzten zwanzig Jahre zeigt.


Zu konkreten Entlassungen ist es vor allem an den folgenden Standorten und Unternehmensteilen von Bertelsmann gekommen:

Gruner + Jahr (Hamburg)

  • Am Traditionsstandort Hamburg wurden durch die Integration von Gruner + Jahr in die RTL-Gruppe und die Einstellung bzw. den Verkauf von über 20 Zeitschriftentiteln rund 700 Stellen gestrichen. Betroffen sind überwiegend nicht-redaktionelle Bereiche, insbesondere Verwaltung und Produktion.

RTL Deutschland (Köln)

  • Am Kölner Hauptsitz des Fernsehsenders RTL werden in einem Drei-Jahres-Plan zusätzlich etwa 300 Stellen abgebaut. Der Abbau soll sozialverträglich ablaufen (Fluktuation, Altersteilzeit), real betrifft es aber mehrere hundert Beschäftigte.

Tiefdruckerei Prinovis (Ahrensburg/Schleswig-Holstein)

  • Mit der Schließung der Tiefdruckerei Prinovis Anfang 2024 kam es ebenfalls zu Arbeitsplatzverlusten in Schleswig-Holstein (Ahrensburg).

Weitere Bereiche und Verkauf der DDV Mediengruppe (Dresden)

  • Durch den Verkauf der DDV Mediengruppe in Dresden gingen ebenfalls zahlreiche Arbeitsplätze verloren, wobei dies teils mit Arbeitsplatzübernahmen durch neue Eigentümer verbunden war.

Zusammengefasst:

Der Hauptfokus der Entlassungen liegt in Hamburg (Gruner + Jahr), Köln (RTL), Schleswig-Holstein (Druckereien), sowie Dresden (DDV Mediengruppe)

Von Rolevinck

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