Die Siemag Feinmechanische Werke in Eiserfeld und später die Philips Data Systems GmbH haben über vier Jahrzehnte hinweg eine bedeutende Rolle in der Entwicklung von Datenverarbeitungstechnologien gespielt, beginnend mit der ersten mechanischen Schreibmaschine bis hin zum :Yes-Computer, der als einer der letzten europäischen Konkurrenten zum IBM-PC gilt.
Trotz fehlender elektrotechnischer Fachkenntnisse und ungünstiger Standortbedingungen gelang es Siemag, zum führenden Anbieter für Bürocomputer der mittleren Datenverarbeitung aufzusteigen. Dieser Erfolg basierte auf strategisch klugen Entscheidungen: Das Familienunternehmen setzte konsequent auf flexible Spezialisierung, gezielte Lizenz- und Patentkooperationen sowie die Entwicklung innovativer Produkte. Solange ihre Technologien keine Massenware darstellten, konnten sie sich erfolgreich am Markt behaupten – sogar auf dem anspruchsvollen US-Markt. Der Wandel von den Wurzeln in der Schwerindustrie hin zur Produktion hochmoderner Technologiegeräte war beeindruckend. Siemag bewies eine außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit in einer Zeit rasanter technologischer Veränderungen.
In der zweiten Hälfte der 1960er Jahre jedoch veränderten sinkende Gewinnmargen und der endgültige Übergang von Büromaschinen zu Bürocomputern die Wettbewerbssituation grundlegend.
Dies zwang das Unternehmen schließlich zur Kooperation mit Philips, um das Produktspektrum zu erweitern und den Standort Eiserfeld in einen größeren Geschäftskomplex zu integrieren.
Siemag wurde als Philips Data Systems GmbH mit Sitz in Siegen/Eiserfeld Teil der Philips Kommunikationsindustrie AG (PKI). Die Integration des Eiserfeld-Standorts in die Philips-Gruppe verlief reibungslos, und Eiserfeld wurde zum Zentrum für die Produktion und Entwicklung kleiner Bürocomputer. Diese Entwicklung ermöglichte es, die Strategie der modularen und dezentralen Datenverarbeitung fortzusetzen, die bereits unter Siemag verfolgt wurde. Ende der 1970er Jahre war Eiserfeld der größte und wichtigste Standort in der Data Systems Division von Philips. 40% der Belegschaft arbeitete in Forschung und Entwicklung.
Die P300-Serie, die in Eiserfeld entwickelt wurde, war äußerst erfolgreich und wurde international vertrieben. Die positive Entwicklung wurde durch die Einführung neuer Systemintegrations- und Netzwerkoptionen unterstützt. Die P300-Serie verfügte über ein modulares Hardware-Design, das die flexible Kombination von Peripheriegeräten ermöglichte. Mehr als 80% der Produktion wurde exportiert, was Eiserfeld zu einem wichtigen internationalen Produktionsstandort machte.
Ende der 1970er Jahre war die Hauptindustriegruppe “Data Systems” im deutschen Philips-Bereich in zwei Bereiche geteilt: Das Entwicklungs- und Produktionszentrum in Siegen-Eiserfeld, in dem etwa 1600 Mitarbeiter beschäftigt waren, sowie die Philips Data Systems GmbH, bei der insgesamt 1050 Mitarbeiter tätig waren.
Die Entscheidung des Unternehmens, die Produktion von Großrechnern einzustellen, führte zu einer zentraleren Unternehmensorganisation, was insbesondere den Standort Eiserfeld betraf. Wichtige Entscheidungen wurden nun in den Niederlanden getroffen, was die Autonomie des Standorts einschränkte.
Auf der Messe „Orgatechnik 80“ in Köln präsentierte PKI ein umfassendes Angebot an Computer- und Softwarelösungen mit Fokus auf transaktionsorientierte Verarbeitungssysteme. Das Unternehmen zeigte seine dialogorientierten Systeme der Produktreihen P 300 und P 400 sowie den neuen Computer P 4530, der vollständig kompatibel zur P 400-Serie war.
Ein Schwerpunkt lag auf dem umfangreichen Angebot an Anwender-Software für die Philips-Systeme. Die terminal-orientierte Architektur mit eigenständigen Prozessoren für zeitparallele Datenverarbeitungsfunktionen sorgte für hohe Leistungsfähigkeit und Zukunftssicherheit hinsichtlich Kommunikationsmethoden. Um den Trend zu dezentralisierten Organisationsformen und mehr Computerleistung am Arbeitsplatz zu bedienen, stellte Philips mehrere Mehrfunktions-Verbundsysteme vor.
Neben branchenneutraler Software wie „Varial 300“ und „Phidas 400“ für Finanzbuchhaltung, Personalwesen, Kostenrechnung etc. zeigte Philips auch ein erweitertes Angebot an branchenspezifischer Software für verschiedene Bereiche wie Immobilienmakler, Hausverwaltungen, Baustoffhandel, Arztpraxen, Rechtsanwälte, Kfz-Händler und Industrieunternehmen. Zusätzlich wurde das in Zusammenarbeit mit Softlab entwickelte interaktive Programm-Entwicklungsterminal-System PET/X 1150 vorgestellt.
Insgesamt präsentierte sich Philips Data Systems als Anbieter umfassender und zukunftsorientierter Lösungen für die computergestützte Datenverarbeitung in Unternehmen verschiedener Branchen und Größen.
Trotz des Erfolgs in den späten 1970er Jahren und frühen 1980er Jahren geriet Philips jedoch schnell unter Druck durch den aufkommenden PC-Markt. Der Philips :Yes Computer, der als Antwort auf den IBM PC entwickelt wurde, war nicht mit PC-Software kompatibel und daher weniger flexibel einsetzbar. Zudem war er teurer als vergleichbare PCs.
Im Jahr 1990 tauchten Berichte auf, wonach 200 bis 300 Entlassungen im Bürobereich in Siegen bis zur Jahresmitte bevorstanden. Zu dem Zeitpunkt hatten bereits mehrere leitende Mitarbeiter, darunter der bisherige Vertriebsleiter Informationssysteme Karl Hecken, das Unternehmen verlassen. Es gab Überlegungen, am Standort Siegen das Geschäft mit Systemen der Mittleren Datentechnik (MDT) konzentrieren.
Für das abgeschlossene Geschäftsjahr wurde in Siegen mit einem Verlust von 70 Millionen Mark gerechnet. Für PKI insgesamt wurden rote Zahlen zwischen 400 Millionen und knapp einer halben Milliarde Mark erwartet.
Es folgten Entlassungen, Umstrukturierungen und weitere finanzielle Verluste. Sie führten schließlich dazu, dass die gesamte Computersparte von Philips 1991 an DEC verkauft wurde, was das Ende der bedeutenden Rolle von Eiserfeld als Forschungs- und Entwicklungszentrum zur Folge hatte.
Der Einstieg in die Datenverarbeitungstechnologie erfolgte Anfang der 1950er Jahre zunächst zögerlich, mit der Produktion von Schreibmaschinen und später Buchungsmaschinen. Entscheidend für den Erfolg waren strategische Kooperationen, insbesondere die Lizenzvereinbarung mit dem Ingenieur Gerhard Dirks im Jahr 1954.
In den 1960er Jahren vollzog Siemag eine konsequente Spezialisierungsstrategie: Das Unternehmen reduzierte sein Produktportfolio, konzentrierte sich auf elektronische Bürocomputer und entwickelte eigene Computerserien wie Data 1000, 2000 und 5000. Der Aufbau einer eigenen Forschungs- und Entwicklungsabteilung war ein Schlüsselelement dieser Transformation.
Trotz innovativer Ansätze erreichte Siemag Mitte der 1960er Jahre die Grenzen ihrer Wachstumsmöglichkeiten. Der zunehmende Kostendruck, die Konkurrenz großer Unternehmen wie IBM und die begrenzten Ressourcen eines mittelständischen Unternehmens machten eine Neuausrichtung erforderlich. Dies führte schließlich zur Notwendigkeit einer Kooperation, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Der Standort Eiserfeld hatte dabei strukturelle Nachteile: eine schwierige Infrastruktur, geringe Bevölkerungsdichte und begrenzte Fachkräftemöglichkeiten. Umso bemerkenswerter ist die erfolgreiche Entwicklung des Unternehmens in der Datenverarbeitungstechnologie.
Weitere Informationen und Quellen:
Philips Data Systems GmbH:: Mehrplatz-Dialogsystem und Netzkonzept
Neues Schulungszentrum der Philips Data Systems:: “Berufliche Spezialisierung falsch”
Zweistellige Zuwachsrate bei Philips Data Systems
Eiserfeld: European production and development centre for
European data technology
The Rise and Fall of Philips Data Systems
Als Philips der weltweit größte Hersteller von Bankcomputern war