Von Ralf Keuper
Vor wenigen Tagen gab die Oetker-Gruppe die Schließung ihres Spin Offs, der Oetker Digital mit Sitz in Berlin, bekannt. Die offizielle Begründung lautet in etwa so, dass Oetker Digital seine Mission erfüllt habe und es an der Zeit sei, die digitale Kompetenz zu dezentralisieren, d.h im Unternehmen über die verschiedenen Bereich zu verteilen[1]Aus für Oetker Digital – Bielefelder Konzern richtet Digitalstrategie neu aus. Die Bündelung in einem eigenen Unternehmen sei dafür nicht mehr nötig. Wahrscheinlich werden sich betriebsbedingte Kündigungen nicht vermeiden lassen. Die anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können sich intern in den verschiedenen Unternehmensbereichen oder beim firmeneigenen IT-Provider bewerben. Die Digitalisierung sei bei Oetker inzwischen auf nahezu allen Ebenen fester Bestandteil der Abläufe, die Transformation damit abgeschlossen. So die Unternehmensrhetorik.
Statt um Transformation handelt es sich schlicht um eine Kostensenkungsmaßnahme. Da helfen keine wohlklingenden Berater-und PR-Floskeln. Auf dem Land würde man dazu sagen: Die wollen uns was vom Pferd erzählen.
Widersprüche lassen sich nicht überdecken
Die Schließung der Oetker Digital GmbH offenbart einen bemerkenswerten Widerspruch zwischen der offiziellen Darstellung des Unternehmens und den tatsächlichen Auswirkungen auf die Belegschaft. Während Dr. Oetker die Auflösung als Zeichen einer „reiferen, verteilten Digitalisierung“ präsentiert, stehen dem die angekündigten betriebsbedingten Kündigungen diametral entgegen.
Ein struktureller Widerspruch
Der Kern des Problems liegt in der Argumentationslogik: Wenn ein Unternehmen behauptet, seine digitale Transformation erfolgreich abgeschlossen zu haben, wie kann es gleichzeitig rechtfertigen, dass für die entsprechenden Fachkräfte keine Beschäftigungsmög0lichkeiten bestehen? Diese Diskrepanz wird besonders deutlich, wenn man die organisatorische Struktur von Oetker Digital betrachtet.
Die Oetker Digital GmbH war bereits eine dezentrale Einheit – bewusst in Berlin angesiedelt, fernab der Bielefelder Konzernzentrale, um Innovationskraft und Agilität zu fördern. Als eigenständige Gesellschaft war sie strukturell klar vom Mutterkonzern getrennt und fungierte als zentrale Dienstleisterin mit konzernübergreifendem Auftrag. Die Begründung, eine „zentrale Struktur“ sei nicht mehr nötig, da Digitalisierung nun in die Gruppenunternehmen integriert sei, erscheint vor diesem Hintergrund wenig schlüssig.
Rechtliche Realität versus Unternehmensrhetorik
Arbeitsrechtlich unterliegen betriebsbedingte Kündigungen strengen Voraussetzungen. Sie dürfen nur ausgesprochen werden, wenn tatsächlich keine zumutbare Weiterbeschäftigung möglich ist – selbst nach Umstrukturierungen oder Neuausrichtung der Aufgaben. Das Unternehmen trägt dabei die Beweislast für den dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes.
Dr. Oetker hat zwar angekündigt zu „versuchen“, möglichst vielen Mitarbeitern alternative Stellen anzubieten, betont jedoch gleichzeitig, dass betriebsbedingte Kündigungen „nicht ausgeschlossen werden können“. Diese Formulierung offenbart bereits, dass offenbar nicht für alle Beschäftigten eine nahtlose und gleichwertige Anschlussbeschäftigung garantiert werden kann – ein klarer Widerspruch zur behaupteten erfolgreichen Integration digitaler Kompetenzen.
Die Logik der Digitalisierung
Wenn die digitalen Kompetenzen tatsächlich vollständig in die verschiedenen Geschäftsbereiche integriert worden wären, müssten sich logischerweise auch für die meisten entsprechenden Fachkräfte Beschäftigungsmöglichkeiten ergeben. Die Möglichkeit betriebsbedingter Kündigungen zeigt hingegen, dass es zumindest für manche Beschäftigte offenbar keinen passenden Arbeitsplatz gibt – trotz der offiziell dargestellten erfolgreichen Transformation.
Tatsächlich stellt die Schließung von Oetker Digital eher die Abschaffung einer „zentralen Steuerungskompetenz“ dar, ohne dass daraus zwingend eine bessere Dezentralität oder flexiblere Integration digitaler Lösungen folgt. Eine konsequente Einbettung digitaler Kompetenz würde normalerweise einen zentralen, konzernweiten Steuerungs- oder zumindest Beratungsstab erfordern, nicht die Auflösung einer eigenständigen Digitaleinheit.
Fazit: Kostensenkung statt Transformation
Der Widerspruch zwischen einer angeblich erfolgreichen digitalen Transformation und der gleichzeitigen Androhung betriebsbedingter Kündigungen deutet darauf hin, dass die Schließung von Oetker Digital möglicherweise weniger ein Zeichen für eine gelungene Integration digitaler Kompetenzen ist, als vielmehr ein Kostensenkungsprogramm, das auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird.
Die Tatsache, dass betriebsbedingte Kündigungen nicht ausgeschlossen werden können, spricht vielmehr für einen personellen Anpassungsbedarf, der sich nicht allein aus Wachstums- oder Kompetenzgewinnen erklärt. Dies wirft die grundsätzliche Frage auf, ob das Ende von Oetker Digital tatsächlich Ausdruck einer vollendeten und erfolgreichen Digitalisierung mit maximaler Beschäftigungssicherung ist, oder ob es sich nicht vielmehr um eine Restrukturierung handelt, die primär betriebswirtschaftlichen Erwägungen folgt – zu Lasten der Belegschaft und möglicherweise auch der digitalen Innovationskraft des Konzerns.
References