Von Ralf Keuper

Schon in ihren Bildern aus Westfalen schrieb die Dichterin Annette von Droste-Hülshoff

Wenn wir von Westfalen reden, so begreifen wir darunter einen großen, sehr verschiedenen Landstrich, verschieden nicht nur den weit auseinanderliegenden Stammwurzeln seiner Bevölkerung nach, sondern auch in allem, was die Physiognomie des Landes bildet oder wesentlich darauf zurückwirkt, in Klima, Naturform, Erwerbsquellen und, als Folge dessen, in Kultur, Sitten Charakter und selbst Körperbildung seiner Bewohner: daher möchten wohl wenige Teile unseres Deutschlands einer so vielseitigen Beleuchtung bedürfen.

Die von der Droste skizzierten (aus heutiger Sicht nicht unproblematischen und weitgehend überholten) Unterschiede spiegeln sich auch in der Wirtschaftsstruktur der westfälischen Regionen wieder. Gemeinsam ist ihnen allen jedoch der im Vergleich zum Landes- und Bundesdurchschnitt hohe Anteil des produzierenden Gewerbes, was mit dazu beigetragen hat, dass die westfälische Wirtschaft bisher besser durch die Krise gekommen ist als die rheinische. Ebenso ist es die große Zahl mittelständisch geprägter Unternehmen, die nicht selten mehrere hundert Millionen Euro umsetzen, die ein gemeinsames Band zwischen den Regionen bildet. Große, milliardenschwere Konzerne sind in Westfalen dagegen – zumindest wenn sich der Blick ins Rheinland wendet – eher selten und wenn, dann befinden sie sich fast ausnahmslos in Familienhand, was wiederum ungewöhnlich ist.

Was die Anzahl der Branchen betrifft, ist Ostwestfalen-Lippe die vielschichtigste Region Westfalens. Allen voran die Möbelindustrie und der Maschinenbau wie auch der neue „Shooting Star“ – die industrielle Verbindungstechnik. Daneben sind es noch die Textil- und die Ernährungsindustrie, die der Wirtschaft der Region ihr Gesicht geben. 

Die Wirtschaftsstruktur Südwestfalens ist geprägt von der Automobilzulieferindustrie, dem Maschinenbau wie auch der Sanitär- und Lichtindustrie. Überhaupt kann die Industrie in Südwestfalen, insbesondere im Siegerland, auf die längste Tradition in NRW zurückblicken. Trotzdem ist Südwestfalen noch immer eine der am meisten unterschätzten Industrieregionen Deutschlands. Besserung ist jedoch in Sicht.  

Das Münsterland ist gemessen an den Arbeitslosenzahlen die wirtschaftlich gesündeste Region Nordrhein-Westfalens, was nicht zuletzt auch daran abzulesen ist, dass die Kommunen mit der geringsten Verschuldung in NRW fast allesamt von hier stammen. Dienstleistungsmetropole der Region ist unbestritten und unangefochten Münster. Darüber hinaus glänzt die Stadt mit einer Wirtschaftskraft, die sie  in den einschlägigen Rankings meistens an der Spitze platziert. 

Die ehemalige Wiege der Industrie, das Ruhrgebiet, trägt nach wie vor schwer an dem Strukturwandel weg von Kohle und Stahl hin zur Dienstleistungsökonomie. Dabei sind die Fortschritte beachtlich, beispielsweise mit Blick auf Dortmund als einem der führenden IT-Standorte Deutschlands. Weitere Impulsgeber für die Region sind die Mikrosystemtechnik und die Logistik ebenso wie die nicht zu unterschätzende Anzahl innovativer mittelständischer Unternehmen wie Wilo, Elmos,  adesso, GEA, G-Data und Dorma.

Von erheblicher Bedeutung für die Wirtschaft in Westfalen ist die – glücklicherweise – dichte Hochschullandschaft, wenngleich die Aufgabe der Universität nicht ausschließlich darin bestehen kann und darf, der Wirtschaft zu dienen.

Vor einigen Jahren veröffentliche die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe eine Analyse mit dem Titel Wachstums- und Strukturanalyse – Westfalen-Lippe im Vergleich zum Rheinland, der einige Jahre später die Westfalen-Initiative ihre Stärke- und Schwächen Analyse folgen ließ. 

Die vergangen Jahre haben die von der Westfalen-Initiative befürwortete Stärkung des tertiären Sektors, der Diensleistungsbranche, widerlegt. Damit folgte sie seinerzeit (2001) der allgemeinen Stimmung, die in der Industrialisierung die Ursache für Deutschlands Rolle als „Kranker Mann Europas“ sah. Glücklicherweise sind wir in Westfalen wie in Deutschland generell diesen Forderungen nicht in der gewünschten Weise nachgekommen. 
Mittlerweile häufen sich jedoch wieder die Stimmen, die vor einer „Re-Industrialisierung“ Deutschlands glauben warnen zu müssen. 

Insgesamt also ist das Bild der westfälischen Wirtschaft ebenso bunt wie in allen anderen Bereichen, große, schwerfällige Einheiten sind unsere Sache weniger, eher schon kleine, flexible Einheiten. Wie die Beispiele Ostwestfalen-Lippe, Südwestfalen und Münsterland zeigen, ist die periphere Lage nicht immer von Nachteil, lässt sie doch Erwartungen, die Landespolitik in Düsseldorf möge sie mehr beachten und Hilfestellungen leisten, als nicht so wichtig erscheinen. 

Eine erfrischend andere Perspektive verglichen mit den ständigen Wehklagen des Landschaftsverbandes und anderer Akteure.

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