Der Geschäftssinn und die Zähigkeit der Gütersloher Unternehmer sind weit über die Grenzen der Stadt bekannt. Gütersloher, so sagte Reinhard Mohn einmal, können auch noch auf dem Eise grasen[1]Können die Gütersloher auf dem Eise grasen?. Bereits im Mittelalter bezeichnete die Äbtissin des benachbarten Klosters Herzebrock die Gütersloher als “Viri industrii” – betriebssame Männer.

Jedoch reichen Fleiß und ein ausgeprägter Erwerbssinn für den Erfolg alleine nicht aus – das Umfeld muss stimmen. Ein guter Draht zur Politik und Verwaltung kann daher nur von Vorteil sein – im Idealfall für beide Seiten, für die Stadt und die Unternehmen.

In der zweiten Hälfte des 20 Jahrhunderts gab es in Gütersloh eine glückliche Konstellation. Die international erfolgreichen großen Unternehmen in der Stadt, Bertelsmann, Miele aber auch Vossen, benötigten in der Verwaltung einen Ansprechpartner, der ein offenes Ohr für ihre Anliegen hatte. Diese Rolle füllte Gerd Wixforth als Stadtdirektor von Gütersloh über mehrere Jahrzehnte nahezu perfekt aus[2]Verbindungen, Verflechtungen und Verwicklungen. Kommunale Verwaltung und Unternehmensführung in Gütersloh seit den 1970er Jahren.

Wixforth, gebürtiger Gütersloher, war mit Reinhard Mohn und Rudolf Miele persönlich bekannt bzw. befreundet. Der Vater von Gerd Wixforth war Kämmerer der Stadt. Von Wixforths Onkel, Fritz Wixforth, ging 1950 die Initiative zur Gründung des Bertelsmann Leserings aus. Bereits Mitte der 1930er Jahre war Fritz Wixforth Bürochef bei Bertelsmann, das zu dem Zeitpunkt noch von dem Vater Reinhard Mohns, Heinrich Mohn, geleitet wurde. Nicht nur deshalb war die Beziehung zwischen dem Stadtdirektor und dem Haus Bertelsmann eine besondere: “Die besondere Beziehung von Stadt- und Unternehmensspitzen in Gütersloh wurde durch Begriffe wie „Freund“, „Halbverwandte“, „freundschaftliche Begleitung“ oder „Verbundenheit“ flankiert – wie sie in den Briefen zwischen Stadtdirektor Wixfort und Reinhard Mohn, dem langjährigem Konzernchef und Kopf der Bertelsmannstiftung, sowie mit Mark Wössner, Vorstandsvorsitzender des Gütersloher Verlagshaus, zu finden sind. Laut Wössner sei Wixforth „ein echter Freund des Hauses“, mit dem auch regelmäßig gemeinsam das neue Jahr eingeläutet wurde”[3]Verbindungen, Verflechtungen und Verwicklungen. Kommunale Verwaltung und Unternehmensführung in Gütersloh seit den 1970er Jahren. Aber auch zu Miele, dem anderen Großunternehmen am Ort, unterhielt Wixforth ein freundschaftliches Verhältnis: “Zum 100jährigen Firmenjubiläum schrieb er an Rudolf Miele, den er „als Ratgeber und Freund in allen Lebenslagen“ bezeichnete: „Miele ist für mich (trotz Bertelsmann mit seiner etwas längeren Firmengeschichte in Gütersloh) d a s Gütersloher Unternehmen.“ Nicht so intensiv war anscheinend das Verhältnis zu Vossen[4]Gütersloher Weltunternehmen Vossen meldet vor 25 Jahren Konkurs an, in Spitzenzeiten mit immerhin 3.500 Mitarbeitern Europas größter Frottierweber.

Kritik über eine zu große Nähe der Stadtverwaltung mit Bertelsmann wies Wixforth stets als unbegründet zurück: “Es sei nicht der Fall, dass „man im Rathaus zunächst beim Konzern anfragt, was wohl richtig sei. Um das klar und deutlich zu sagen: Solche Probleme hat es nicht gegeben und gibt es nicht.“ Auch Pressionen politischer Art seien nicht vorgekommen, vielmehr herrsche ein „faires Partnerschaftsverhältnis“ der Stadt zur Industrie. Was es hingegen gegeben habe, seien Berührungspunkte etwa bei Grundstücksbedarf, wobei die Stadt mit Blick auf die Interessen von Bertelsmann und der vorhandenen Arbeitsplätze ebenso unterstützt hatte wie bei planungs- und baurechtlichen Fragen, die „stets im Einvernehmen und Beachtung des öffentlichen Interesses“ bearbeitet worden wären. Er könne schlicht von keinem Fall berichten, „in dem Bertelsmann eine massive Beeinflussung kommunaler Entscheidungen zu seinen Gunsten versucht hätte“.

Die Verbesserung der Standortbedingungen, insbesondere für Bertelsmann, war Wixforth ein großes Anliegen. “Zu solchen Überlegungen gehörten schon frühzeitig Ankündigungen des Stadtdirektors, die Standortsituation für die Unternehmen entscheidend zu verbessern, um deren Bindung an Gütersloh zu festigen. Vor dem Weihnachtsfest 1985 verknüpfte Wixforth in seinem Brief an den seit 1983 als Bertelsmann-Vorstandsvorsitzenden amtierenden Mark Wössner seinen Dank „für Unterstützung und Freundschaft und Verbundenheit“ mit einem Dank an dessen Zusicherung, „daß die Arbeitsplätze bei Bertelsmann gesichert sind“; denn dies sei „sicherlich für den Stadtdirektor auch ein Grund, Zukunftsängste erst gar nicht aufkommen zu lassen“. Die immense Abhängigkeit offenbarte Wixforth auch vor Mohn, als er formulierte, die Stadt befinde sich in gutem Zustand, „nicht zuletzt, weil es Bertelsmann gut geht“. Reinhard Mohn wusste die Arbeit Wixforths zu schätzen. “Über unsere unkomplizierte und effiziente Zusammenarbeit freue ich mich immer wieder. Dieser Stil macht Spaß, und ich meine, es kommt auch allerlei dabei heraus.“ Ende 1996 lobte er schließlich in überschwänglichem Duktus die „freundschaftliche und konstruktive Zusammenarbeit“ sowie „Deine menschliche Art“ und unterstrich: „Die Zusammenarbeit mit Dir und der Stadt Gütersloh hat mir immer große Freude gemacht.“

Christof Lorke zieht ein nüchternes Fazit: “Dass diese Macht- und Entscheidungskonstellationen hoch asymmetrisch zugunsten des Wirtschaftlichen ausgefallen sind, sollte deutlich geworden sein – und erklärt den Weg Güterslohs zur unternehmerischen Stadt. Hier wäre im Einzelfall zu überprüfen, ob sich ähnliche Allianzen auch in anderen wirtschaftsstarken (Mittel-)Städten finden lassen“.

Ähnlich, jedoch nicht ganz so persönlich und freundschaftlich, war das Verhältnis von Heinz Nixdorf zu den Stadtoberen von Paderborn. Mit dem damaligen Stadtdirektor Hans Ferlings verlief die Zusammenarbeit gut. Spannungen blieben dennoch nicht aus: “Ein nicht selten cholerischer Mann (Heinz Nixdorf). “Auch mich hat er mal Arschloch genannt”, sagt Ferlings noch immer voller Achtung, “aber was haben wir für ein Glück gehabt mit ihm. Er hat die Schnarchigkeit vertrieben.”[5]Erbengemeinschaft. Das Verhältnis von Benteler zur Stadtverwaltung war und ist nüchtern-pragmatisch.

Interessant wäre mal ein näherer Blick auf die Städte Attendorn und Verl.

Der Geschäfts- und Erwerbssinn hat sich in Gütersloh über Jahrhunderte entwickelt. Der Aufstieg vom kleinen Heidedorf zur bedeutenden Industriestadt wäre ohne einen ausgeprägten Bürgersinn nicht möglich gewesen[6]Gütersloher schreiben Geschichte. Gütersloh war und ist die “Stadt der Stifter”. Bertelsmann und Miele fanden in Gütersloh ein günstiges Umfeld vor. Wixforth, Mohn und Miele haben das Zusammenspiel dann auf eine neue Ebene gehoben. Übrigens: “Im Jahr 2000 gründete Wixforth innerhalb der Bürgerstiftung Gütersloh den Wixforth-Fonds Gesundheitswesen mit 1 Million D-Mark aus seinem Privatvermögen für die Unterstützung von Projekten im öffentlichen Gesundheitssektor”[7]Wikipedia.

Im Punkt Wirtschaftsförderung waren die CDU und SPD sich im Grunde einig. Die führenden Politiker kannten und schätzten sich. Erwähnenswert in dem Zusammenhang sind Karl Ernst Strothmann von der CDU und der Ehrenbürger Willy Eichberg von der SPD.

References

References
1 Können die Gütersloher auf dem Eise grasen?
2 Verbindungen, Verflechtungen und Verwicklungen. Kommunale Verwaltung und Unternehmensführung in Gütersloh seit den 1970er Jahren
3 Verbindungen, Verflechtungen und Verwicklungen. Kommunale Verwaltung und Unternehmensführung in Gütersloh seit den 1970er Jahren
4 Gütersloher Weltunternehmen Vossen meldet vor 25 Jahren Konkurs an
5 Erbengemeinschaft
6 Gütersloher schreiben Geschichte
7 Wikipedia

Von Rolevinck

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