“In zwanzig Jahren gibt es keine Heimatbünde mehr”, prophezeite ein Teilnehmer des Westfalentages 1965 in Soest anläßlich des 50jährigen Jubiläums des WHB, der, so ergänzte ein älterer Student, nur noch “ein exklusiver Zirkel mit weltfremden Aufgaben auf verlorenem Posten” sei. Zurückhaltender meinte eine Primanerin: “Ich finde alles ganz interessant, aber ich interessiere mich mehr für Europa.” …

Die Meinung aber, “Europa” mache Heimatpflege antiquiert, ist schon über zweihundert Jahre alt. Radikaler als jene freundliche Primanerin erklärte ein Osnabrücker Legationsrat um 1750: “Ich hasse, offen gesagt, Westfalen gar sehr. Ich bin ein Bürger der Welt. Was geht mich da das Land an, wo ich geboren wurde? ” Auch er wähnte das Haus vom Dach her betreten zu können, ein echter Sohn der “A ufklärung”, die, fortschrittsgläubig wie ihre Ururenkel heute, auf das Allgemein-Menschliche gerichtet, landschaftliche
Eigenart dem Weltbürgertum gegenüber als “Provinz” abtat. Man hoffte, noch nicht von eigener Erfahrung belehrt, Staaten rational aufbauen und regieren zu können, ohne — ja gegen— die naturgegebenen, irrationalen Bindungen von Seiten der Familie, Landsmannschaft, Geschichte. Nicht um der Rhetorik willen gibt unser Grundgesetz in Artikel 29,1[1]“Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Dabei sind … Continue reading der “landsmannschaftlichen Verbundenheit, den geschichtlichen und kulturellen Zusammenhängen” unter den Wesenselementen eines Landes den Vorrang vor “wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit”[2]Anmerkung RK: Die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit ist laut GG 29(1) nicht nachgeordnet, sondern den anderen Faktoren gleichgestellt. …

So ist es das Ziel der Volkstums- und Heimatpflege nun, im erlebbaren Raum der Heimat die Vergangenheit als Schicksal unseres Selbst erkennen zu lassen, als Schicksal unserer Landschaft und unseres Volkes, so, daß der Einzelne sich inmitten eines Werdeganges zu sehen vermag mit eigenen Verpflichtungen für die Gegenwart wie die Zukunft. Aus diesen Tatsachen und Erkenntnissen ergab sich das Ziel dieses Buches.

Quelle: Der Westfälische Heimatbund und seine Vorläufer

References

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1 Das Bundesgebiet kann neu gegliedert werden, um zu gewährleisten, daß die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können. Dabei sind die landsmannschaftliche Verbundenheit, die geschichtlichen und kulturellen Zusammenhänge, die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit sowie die Erfordernisse der Raumordnung und der Landesplanung zu berücksichtigen”.
2 Anmerkung RK: Die wirtschaftliche Zweckmäßigkeit ist laut GG 29(1) nicht nachgeordnet, sondern den anderen Faktoren gleichgestellt

Von Rolevinck

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