Es fehlten in der ersten Aufbauphase der Industrie noch die heute üblichen Geschäftsbanken. Der Leinenkaufmann brauchte, da er selbst bar bezahlen musste, sein Leinen aber immer in Kommission verkaufte, verhältnismäßig viel Kapital. In Bielefeld stand für die Kreditierung keine Bank zur Verfügung. Das einzige Bankhaus am Platze, die Firma Fritz Hartmann & Compl., ist vor 1826 gegründet worden. Zwar war ihr Geschäftszweck die Bereitstellung von Leihkapital, über den Umfang der Geschäfte gibt es aber keinerlei Unterlagen. Die Handelskammer wünschte deshalb, wie in ihrem Bericht von 1851 nachzulesen ist, die Verlegung einer in Münster ansässigen Bank nach Bielefeld. In Münster sei ohnehin kein Handel, und für die Inanspruchnahme von Bielefeld aus sei die Entfernung zu groß. Wegen der Auslandsgeschäfte im Leinenhandel sei es überdies notwendig, der Bank zu gestatten, ausländische Wechsel zu kaufen und zu diskontieren.
Erst 1858 besserte sich die Lage. Die Königliche Bank-Commandite eröffnete in diesem Jahr eine Filiale in Bielefeld. Sie nahm genau die Geschäfte wahr, die in der Stadt verlangt wurden. 1859 kaufte sie auf Bielefeld ausgestellte Wechsel über 1.178.000 Taler an; Wechsel über 2.025.000 Taler lauteten auf inländische Bankplätze und über 118.000 Taler auf Orte im Ausland. Im Lombardgeschäft, der Kreditierung gegen die Überstellung von Waren, wurden 103.000 Taler ausgeliehen. 1864 betrug der Gesamtumsatz der Bank knapp 15 Mill. Taler. Auch daran wird sichtbar, wie notwendig die Bankgeschäfte für die Entfaltung der Bielefelder Wirtschaft waren. ..
Der Geldbedarf der sich entfaltenden Industrie und die Veränderungen in der landwirtschaftlichen Betriebsweise boten auch privaten Bankunternehmen Chancen. Feldheim & Neukirchner eröffneten 1861 ihr Bankhaus, Paderstein & Söhne 1863, Dreyer 1867, Katzenstein & Söhne 1872, Otto Lohmann 1873, Osthoff & Brinkhoff 1875. Indessen setzte mit den erweiterten Betriebsgrößen der Unternehmen und deren erhöhter Kreditnachfrage ein Konzentrationsprozess auf dem Bankensektor ein, in dem die meisten Privatbanken geopfert wurden. .. Den Konzentrationsrprozess überlebten als einzige private Bankhäuser die Firma Paderstein bis zur Übernahme durch die Deutsche Bank (1925) und die 1910 von den ehemaligen Inhabern neugegründete Firma Dreyer & Comp. bis zu ihrer Einverleibung in die Darmstädter und Nationalbank (1920).
Quelle: Reinhard Vogelsang. Geschichte der Stadt Bielefeld. Band II. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Ersten Weltkrieges
Weitere Informationen:
Aufstieg und Niedergang des Bankhauses Paderstein in Ostwestfalen
Familie Paderstein und ihr Weg in die Fremde