Von Ralf Keuper

Trotz gegenteiliger Beteuerung, den Landesteil Westfalen stärker zu berücksichtigen, setzt die neue Landesregierung den Kurs ihrer Vorgänger fort: Die Regierung unter der ehemaligen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft war von einer fast schon chronischen Blickverengung geplagt, wenn es um den Landesteil Westfalen ging. Das überrascht um so mehr, da Westfalen 45 Prozent der Bevölkerung und gut 66 Prozent der Fläche von NRW repräsentiert. Dass eine Landesregierung überhaupt mit der Botschaft antreten muss, einen Landesteil von dieser Bedeutung stärker berücksichtigen zu wollen, ist schon erstaunlich.

Wie dem auch sei. In einem Interview mit der Welt ließ der neue Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart erkennen, dass er unter NRW in erster Linie den Raum Aachen/Köln/Bonn/Düsseldorf und das Ruhrgebiet versteht. Obwohl er für alle Regionen große Potenziale sieht, scheint er einigen von ihnen den Vorzug zu geben:

Das Ruhrgebiet wollen wir in Schlüsselbereichen wie Internet der Dinge, neue Logistik sowie intelligente Energie- und Umweltsysteme zu einer der modernsten Industrieregionen weiterentwickeln. Das Rheinland als eine der dichtesten Wissenschafts- und Forschungslandschaften bietet herausragende Chancen für Hightech-Start-ups. Ostwestfalen-Lippe hat sich beim Thema E-Government ebenso profiliert wie als Heimat innovativer Mittelständler, der Hidden Champions.

Kein Wort von Südwestfalen, immerhin die drittgrößte Industrieregion Deutschlands, auch kein Wort vom Münsterland, die, was die Arbeitslosigkeit betrifft, mit Abstand solideste Region in NRW. Warum nur das Rheinland beste Voraussetzungen für die Ansiedlung von High-Tech-Startups bietet, erschließt sich mir nicht. Jedenfalls verfügt Westfalen mit der Ruhr-Uni Bochum, der TU Dortmund, den Universitäten Bielefeld, Münster, Paderborn und Siegen, sowie der Privat-Uni Witten/Herdecke und der – gemessen an den Studentenzahlen – größten Uni Deutschlands, der FernUni Hagen, sowie weiteren Hochschulen, wie der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, ebenfalls über ein dichtes Netz an Hochschulen.

Als Startup-Region kommt für den Minister eigentlich nur das Rheinland in Frage. Schon 2020, so die optimistische Prognose, werde sich das Rheinland mit Berlin auf Augenhöhe befinden, so der Minister in Digitalminister Pinkwart im Interview „Rheinland bis 2020 auf Augenhöhe mit Berlin“. Geplant ist ein Rheinland-Valley. Wenn er sich da mal nicht täuscht. Startup-Ökosysteme lassen sich nicht planen; dazu gehören mehrere Ingredienzen.

Kurzum: Es sieht so aus, dass wir in Westfalen auch von der neuen Landesregierung nicht allzu viel erwarten können. Woher diese Lernresistenz herrührt, ist schwer zu sagen. Sie ist jedenfalls erstaunlich hartnäckig. Allerdings ist Westfalen nicht allzu schlecht damit gefahren, dass es von der Wirtschaftspolitik der Landesregierung nicht sonderlich bedacht wurde. Es scheint fast so, als sei das der Grund dafür, dass die Regionen Ostwestfalen, Südwestfalen und Münsterland von den meisten Kennzahlen her besser da stehen als das Rheinland 😉

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Ein Gedanke zu „Neue Landesregierung – dieselbe Blickverengung“

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