Dr. Harald Wixforth

Die westfälische Wirtschaftsgeschichte wird häufig auf auf die Bergbau-, Stahl- und Textilindustrie reduziert. Das Bank- und Finanzwesen kommt eher am Rande vor, was wohl auch darauf zurückzuführen ist, da Westfalen zu keiner Zeit über einen Finanz- und Bankplatz mit überregionaler Bedeutung verfügte. Dennoch sind einige namhafte Bankiers und Bankhäuser aus Westfalen hervorgegangen. Wie wohl kaum ein anderer hat der renommierte Bielefelder Wirtschaftshistoriker Dr. Harald Wixforth (Foto) zur westfälischen Bankgeschichte geforscht. Im Gespräch mit Westfalenlob erläutert Wixforth, weshalb von einem typisch westfälischen Bankwesen – trotz einiger wesentlicher Merkmale – nicht gesprochen werden kann, warum in Westfalen kein bedeutender Bankplatz entstand, wieso die Verstrickung der Banken in die NS-Zeit auch in unserer Region noch nicht ausreichend erforscht ist, weshalb er für die Zukunft der Sparkassen und Volksbanken optimistisch ist und wo noch weiterer Forschungsbedarf über Westfalen hinaus besteht. 

  • Herr Dr. Wixforth, was hat Sie dazu veranlasst, sich intensiv mit der westfälischen Bank- und Finanzgeschichte zu beschäftigen?

Seit circa dreißig Jahren beschäftige ich mich mit der Entwicklung von Finanzmärkten und Finanzsystemen in Europa, darunter auch im nationalen und regionalen Kontext. Erste Forschungen zur Finanzgeschichte in Westfalen mündeten 2000 in das Buch “Bielefeld und seine Sparkassen”. Danach habe ich mich der regionalen Wirtschafts- und Finanzgeschichte immer wieder gewidmet, so dass dabei eine Reihe von Aufsätzen erschienen sind. Der jetzt vorliegende Band ist daher auch ein Substrat der langjährigen Forschungen.

  • Was sind die für Sie wesentlichen Erkenntnisse – gibt es so etwas wie ein spezifisch westfälisches Bank- und Finanzwesen?

Ein typisch westfälisches Bankwesen, etwa im Vergleich zu anderen Regionen, gibt es nicht, natürlich spezifisch westfälische Finanzintermediäre, etwa die großen Sparkassen in Westfalen, aber auch westfälische Regionalbanken wie der Barmer Bankverein oder die Westfalen-Bank, sowie einige westfälische Privatbankhäuser.   

  • Gibt es in Westfalen regionale Unterschiede?

Westfalen bietet ja eine höchst unterschiedliche Wirtschaftsstruktur, von rein agrarisch bestimmten Regionen etwa im Münsterland, bis hin zu industriellen Ballungszentren wie etwa den westfälischen Teil des Ruhrgebiets. Dementsprechend differiert auch die Struktur der Finanzintermediäre. In den industriellen Kernregionen sind alle Segmente des Kreditwesens vertreten, in den ländlichen Regionen eher die Kreditgenossenschaften und die Sparkassen.    

  • Warum hat sich in Westfalen kein Finanzplatz von überregionaler Bedeutung herausgebildet?

Große Finanzplätze sind überall da entstanden, wo sich seit dem Mittelalter bedeutende Handels- und Börsenplatze entwickelten, oder wo sich in einer großen Residenzstadt jüdische Bankiers, die Hofjuden, niederlassen und gute Geschäfts machen konnten. Beides war in Westfalen nicht der Fall, so dass sich hier kein großer Finanzplatz entwickelte, zum Vorteil etwa von Köln.

  • Lässt sich eine Kontinuität im westfälischen Bank- und Finanzwesen beobachten – insbesondere seit Mitte des 19. Jahrhunderts?

Eine Kontinuitätslinie ist zum Beispiel der Bedeutungsverlust der Privatbankiers und der Aufstieg der großen, wenn auch zunächst nur regional operierenden Universalbanken, später die kontinuierliche Bedeutungszunahme von Sparkassen und Kreditgenossenschaften.

  • Großen Raum in Ihren Forschungen nimmt die Verstrickung der Banken während der NS-Zeit ein – wie verhält es sich damit in Westfalen?

Im Gegensatz zur inzwischen immer wieder artikulierte These, die Kreditwirtschaft im NS sei ausreichend erforscht, bestehen m. E. immer noch große Desiderate, sowohl zur Rolle der Kreditwirtschaft während des NS-Regimes in einzelnen großen Städten, aber auch mit Blick auf vergleichende Studie. Hier ist noch viel zu tun, vor allem ist die Quellenbasis systematisch aufzuarbeiten.

  • Derzeit schließen die Banken auch in Westfalen zahlreiche Filialen – allen voran die Sparkassen – stehen wir vor einem erneuten Strukturwandel – müssen wir uns von den Sparkassen und Genossenschaftsbanken langsam verabschieden – haben sie ihre historische Funktion erfüllt?

Im Gegenteil, ich glaube, Sparkassen und Genossenschaftsbanken werden auf Sicht noch an Bedeutung gewinnen, als Vertreter der Finanzintermediäre, die vor Ort und mit direktem Kundenkontakt ihr operatives Geschäft gestalten. Eher sehe ich Schwierigkeiten für Banken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank, die nicht nur seit langem mit einem Imageproblem und einem Vertrauensverlust zu kämpfen haben, sondern deren Geschäftsmodell dringend zu hinterfragen und an die neuen Herausforderungen moderner Finanzmärkte anzupassen ist. Die Schließung von Filialen bei den Sparkassen und Genossenschaftsbanken ist zum einen eine Reaktion auf den übertriebenen Zug in “die Fläche” während der 1970er und 1980er Jahre, zum anderen eine Antwort auf die zunehmende Automation im Massenkundengeschäft. Natürlich wird es gerade in der Sparkassenorganisation weitere Fusionen und Zusammenschlüsse geben, um Synergien zu erreichen und Kosten zu sparen, aber ich bin überzeugt, dass diese beiden Säulen des deutschen “drei Säulen-Modells” für das “Banking” vor Ort unverzichtbar sind und bleiben werden.

  • Wo besteht Ihrer Ansicht nach noch weiterer Forschungsbedarf – vor allem was die westfälische Bank- und Finanzgeschichte betrifft?

Neben den Forschungen zur Rolle der Kreditwirtschaft während des Nationalsozialismus vor allem in Arbeiten zu den Veränderungen auf den Finanzmärkten und im Bankwesen sind den 1960er Jahren, etwa mit Blick auf die Industriefinanzierung, die Außenhandelsfinanzierung, auf das Verhältnis von Kreditwirtschaft und Politik, etwa bei der von der Politik initiierten Gründung der großen Landesanken, in NRW der West LB, ,mit Blick auf die Bankenkontrolle und Bankenaufsicht. Die Liste der Desiderate in der Entwicklung der Kreditwirtschaft sind dem Zweiten Weltkrieg ließe sich unentwegt fortsetzen. Oft stößt die Forschung jedoch an Grenzen, entweder aufgrund des Bankgeheimnisses oder aufgrund einer wieder zu beobachtenden Blockadehaltung  einzelner Institute. Hoffen wir mal, dass der Boom in der Finanzgeschichte, ausgelöst durch die Forschungen zur Rolle von Banken im NS, nicht wieder jäh vorüber ist.

  • Woran arbeiten Sie aktuell – hat das einen westfälischen Einschlag?

Aktuell an einer Geschichte der Reichs-Kredit-Gesellschaft als größter staatlicher Bank während der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, sowie an einer Studie zu den personellen Netzwerken der maritimen Wirtschaft. Beides hat keinen westfälischen Einschlag. Ich hoffe aber, zusammen mit dem Westfälischen Wirtschaftsarchiv in Dortmund bzw. der Gesellschaft für westfälische Wirtschaftsgeschichte, einen Forschungsschwerpunkt zur Geschichte der westfälischen Sparkassenorganisation initiieren zu können, sofern Institutionen wie der DSGV, der WSGV und der Landschaftsverband Westfalen-Lippe mitspielen und dies unterstützen.

  • Herr Dr. Wixforth, vielen Dank für das Gespräch!

Von Rolevinck

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