Von Ralf Keuper
Anlässlich der Ausstellung 1100 Jahre Paderborner Schulleben, die im Jahr 1964 ausgerichtet wurde, erschien die o.g. Schrift. Vorgestellt werden darin die verschiedenen Bildungseinrichtungen, die seit dem frühen Mittelalter in Paderborn entstanden sind.
Den Anfang macht die älteste Paderborner Schule, die Domschule Paderborn, das heutige Theodorianum. Auf Geheiß Karls des Großen sollte im heutigen Westfalen an jedem Bischofssitz eine Domschule eingerichtet werden, um den christlichen Glauben in Sachsen zu festigen.
Ihre Blütezeit erlebte die Domschule Paderborn, wie Gerhard Hohmann herausstellt, unter den Bischöfen Meinwerk und Imad. Berühmte Schüler aus dieser Zeit sind der Erzbischof Anno von Köln, Bischof Friedrich I. von Münster und Altmann von Passau.
Die Domschule Paderborn war weit über die Grenzen des Stammesherzogtums Sachsen hinaus wegen ihrer hervorragenden Lehrer und ihres, wie man heute sagen würde, Lehrplans bekannt. Neben Griechisch und Latein wurden hier auch Mathematik und Astronomie gelehrt. Zu dieser Zeit lehrte Reinher von Paderborn an der Schule, der in seinem Computus Emendatus als erster in Westeuropa das Dezimalsystem und indisch-arabische Zahlen gebrauchte. Weitere bedeutende Lehrer der Domschule zu jener Zeit sind Manegold von Lauterbach und Oliver von Paderborn.
Im 17. Jahrhundert galt das Theodorianum, das aus der Domschule hervorging, als dritte Fakultät der 1614 gegründeten Universität Paderborn. In den darauffolgenden Jahrhunderten durchlebte die ehemalige Domschule eine wechselhafte Geschichte. Die Qualität der Lehre war starken Schwankungen unterworfen. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts konnte die Schule an ihre große Zeit anknüpfen. Berühmte Schüler aus dieser Zeit sind der Mathematiker Karl Weierstraß, der Philosophiehistoriker Clemens Baeumker, der Anatom Heinrich-Wilhelm Waldeyer und der Komponist Engelbert Humperdinck.
Ein weiterer Meilenstein war die bereits erwähnte Gründung der Universität Paderborn im Jahr 1614 durch Dietrich von Fürstenberg. Berühmte Lehrer in der Anfangsphase der Universität waren der Theologe und Dichter Friedrich von Spee und der Moralist Hermann Busenbaum. Ein berühmter Schüler ist der Universalgelehrte Athanasius Kircher. Bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts fand die Universität bei den Studenten regen Zuspruch. Bis zu 200 Hörer konnte die philosophische Fakultät zu der Zeit verzeichnen, was schon recht ordentlich war und belegt, dass die Universität nicht nur zur Heranbildung angehender Priester diente. So haben sich viele Juristen, Lehrer und Mediziner mit einem Philosophiestudium in Paderborn auf ihre spätere berufliche Tätigkeit vorbereitet. Um das Jahr 1800 befand sich die Universität, wie viele andere in Preußen, in einer kritischen Situation. Ihr Bestand war gefährdet. So schlug Reichsfreiherr vom Stein vor, die Universität Paderborn zugunsten der von Münster aufzugeben. Sein Nachfolger, von Vincke wollte dagegen die westfälische Universität nach Paderborn verlegen. Ein Gutachten des münsterschen Domdechants und späteren Erzbischof von Köln, Freiherr von Spiegel, gab den Ausschlag zugunsten von Münster. Doch konnte sich Münster nicht lange daran erfreuen. Im Jahr 1818 wurde die Universität Münster, ebenso wie die von Paderborn und Duisburg, zugunsten der neuen Universität Bonn aufgegeben. Die Aufhebung der Universität Paderborn wurde jedoch nicht umgesetzt und im Jahr 1836 zurückgenommen.
Ein berühmter Philosoph der jüngeren Vergangenheit, der an der heutigen Theologischen Fakultät studiert hat, ist Hans Blumenberg. Weiterer prominenter Absolvent und ehemaliger Dozent ist der Kirchenkritiker Eugen Drewermann.
Nächste Säule des Paderborner Schullebens ist die Theologische Ordensschule der Franziskaner zu Paderborn, die im Jahr 1663 errichtet wurde. Über die Jahrhunderte entfaltete sich hier eine rege wissenschaftliche Tätigkeit, die namhafte Gelehrte hervorgebracht hat, wie Thaddäus Sorion, Otto Maas, Ferdinand Dölle und Beda Kleinschmidt.
Weitere Schulen sind das Gymnasium St. Michael, das Pelizaeus-Gymnasium und das Reismann Gymnasium. In der Schrift fehlen das zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch nicht bestehende 1972 Gymnasium Schloß Neuhaus und das Goerdeler-Gymnasium.
Ebenfalls im Jahr 1972 wurde die Gesamthochschule Paderborn, die heutige Universität Paderborn gegründet.
Gründungsrektor der Universität Paderborn war der Linguist und Literaturwissenschaftler Broder Carstensen. Hartmut Steinecke, wie Carstensen Literaturwissenschaftler, machte die Paderborner Poetik-Vorlesungen bundesweit bekannt. Bisher prominenteste Dozentin ist die Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller, die von der Fakultät der Kulturwissenschaften der Universität Paderborn die Ehrendoktorwürde erhielt. Träger des Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preises an der Universität Paderborn sind die Informatiker Burkhard Monien und Friedhelm Meyer auf der Heide, der Werkstoffwissenschaftler Frank Vollertsen und die Quantenoptikerin Christine Silberhorn. Ein wichtiger Vertreter der Amerikanistik in Deutschland ist Peter Freese. Helmar Frank ist Mitbegründer der Universität und darüber hinaus ein weltweit anerkannter Mathematiker und Kybernetiker. Ein nach wie vor streitbarer Soziologe ist Arno Klönne. Frank Benseler genießt nicht nur als Herausgeber der Werkausgabe von Georg Lukács und Initiator der interdisziplinären Diskussionszeitschrift Erwägen Wissen Ethik in Fachkreisen hohes Ansehen.
Als Mannschaftsarzt der Fußballnationalmannschaft bei den Weltmeisterschaften von 1986 und 1990 wurde der Sportmediziner Heinz Liesen bundesweit bekannt. Auf Initiative von Joachim Lückel wurde 1997 das Projekt Neue Bahntechnik Paderborn ins Leben gerufen.
Als Honorar-Professor im Fachbereich Kunst lehrte der Maler, Zeichner und Bildhauer Woldemar Winkler. Weitere neue Bildungseinrichtungen der jüngeren Vergangenheit sind die Fachhochschule der Wirtschaft, das b.i.b. International College Paderborn und die Katholische Fachhochschule Paderborn.