Von Ralf Keuper
Bis in unsere Tage ist die Ansicht unter einigen Feuilletonisten weit verbreitet, dass die klassische Musik um Westfalen für lange Zeit einen weiten Bogen gemacht hat. Eine Meinung, die auf diesem Blog u.a. in den Beiträgen
- Westfälische Musiker und Komponisten
- Symphonien und Musikstücke westfälischer Komponisten (Auswahl)
- Westfälische Musikinstrumentenbauer
- Die Musiklandschaft in Westfalen
zumindest deutlich relativiert wurde.
Bemerkenswert ist auch, dass viele namhafte Musiker einige Zeit in Westfalen gewirkt haben. Kein geringerer als Ludwig van Beethoven fand den Weg in die Region. Genauer gesagt nach Münster, wo er die Bekanntschaft mit Maria Anna Wilhelmine von und zu Westerholt-Gysenberg machte, angeblich seine “Jugendliebe”.
Im Sommer 1790 begleitete Beethoven die Familie von Westerholt nach Westfalen. Im Schloss Westerholt und dem Stadtschloss der Familie dem sogenannten Westerholtschen Hof in Münster gab er Anna Unterricht am Klavier. Im Winter 1790/91 weilte die Familie für einige Zeit in Bonn. Besonders Maria Anna Wilhelmine, zu diesem Zeitpunkt 16 Jahre alt, fand Gefallen an dem zwanzigjährigen Musiker. Die Familie war sehr musikliebend: der Graf spielte Fagott, sein Sohn Flöte und seine Tochter Maria Anna Wilhelmine Klavier. Für die drei komponierte Ludwig van Beethoven eigens Kammermusik wie etwa das Trio für Klavier, Flöte und Fagott in G-Dur Werk ohne Opuszahl 37.
Als Komponist und Musiklehrer in Detmold gewirkt hat Johannes Brahms:
1857 siedelte Brahms nach Detmold über. Er leitete dort einen Chor und gab Klavierunterricht. In der Zeit befasste er sich mit einem neuen großen Projekt: dem ersten Klavierkonzert op. 15 in d-Moll. Hinsichtlich der Orchestrierung stand ihm Joseph Joachim ratgebend zur Seite. Vielfach wird es als Widerschein der vergeblichen Leidenschaft für Clara Schumann interpretiert; die Phase war gerade erst abgeschlossen. Uraufgeführt wurde es am 22. Januar 1859 in Hannover. Seine Wiederholung in Leipzig am 27. desselben Monats erzielte nicht die erhoffte Begeisterung. Brahms verbarg seine Enttäuschung hierüber nicht und nahm sich vor, dass ein zweites Werk „ganz anders lauten“ sollte. Sein zweites Klavierkonzert op. 83 in B-Dur – es erschien 22 Jahre nach dem ersten – unterschied sich charakterlich völlig von dem d-Moll-Konzert.
In der Detmolder Zeit entstanden neben dem Klavierkonzert zwei Orchesterserenaden (op. 11 und op. 16) und Lieder, unter anderem Unter Blüten des Mai’s spielt’ ich mit ihrer Hand. Brahms ließ hiermit seine Begegnung mit Agathe von Siebold anklingen. Einen Sommer gab er sich seiner Verliebtheit hin (Clara Schumann schrieb gekränkt, er habe sich wohl recht schnell getröstet). Sein zweites Streichsextett spielt im 1. Satz mit einem Thema auf Agathe von Siebold an; es enthält die Tonabfolge: A-G-A-H-E. Kaum waren die Verlobungsringe mit Agathe getauscht, machte Brahms einen Rückzug. Er sah sich außerstande, sich zu binden, tat es auch später nicht und blieb unverheiratet.
Ebenfalls einige Zeit in Detmold gearbeitet hat Albert Lortzing. Sein Oratorium Die Himmelfahrt Christi wurde in Münster uraufgeführt.
Ab Herbst 1826 gehörte das junge Ehepaar Lortzing zum Hoftheater in Detmold, das auch Münster und Osnabrück bespielte. Lortzing wurde am 3. September 1826 in die Freimaurerloge Zur Beständigkeit und Eintracht in Aachen aufgenommen. In Detmold komponierte er u. a. das Oratorium Die Himmelfahrt Christi, das in Münster uraufgeführt wurde, freilich mit einer Rüge des Münsterschen Regierungspräsidenten, da der Schauspieler Lortzing „als Compositeur durchaus keinen Ruf“ habe.
In Lüdenscheid startete Kurt Weill seine Laufbahn als Kapellmeister:
Der später bedeutende deutsche und amerikanische Komponist Kurt Weill – u.a. Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht (z.B. Vertonung der Dreigroschenoper) – hatte seit Dezember 1919 sein erstes Engagement als Kapellmeister am Stadttheater Lüdenscheid, bevor er 1921 nach Berlin zurückkehrte, um sein Studium fortzusetzen.
Engelbert Humperdinck legte sein Abitur übrigens am Paderborner Theodorianum ab.
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