Sie fördert regionale Identität, Eigenverantwortung und Gemeinwohl – doch wer sitzt eigentlich am Steuer der Stiftung Westfalen-Initiative? Ein kritischer Blick auf eine Institution, die zwischen traditioneller Heimatpflege und den Erwartungen einer modernen Bürgergesellschaft zu verschwinden droht.
Die Architektur der Unauffälligkeit
Es gibt Institutionen, die ihre Wirkung leise entfalten. Die Stiftung Westfalen-Initiative möchte zu ihnen gehören. Gegründet, um regionale Identität zu stärken, Eigenverantwortung zu fördern und das Subsidiaritätsprinzip zu leben, präsentiert sie sich als Hüterin westfälischer Werte. Doch bei genauerem Hinsehen offenbart sich ein Paradox: Eine Stiftung, die Bürgersinn propagiert, wird von jenen getragen, die eher Verwaltungseliten als lebendige Zivilgesellschaft repräsentieren.
Die Namen im Kuratorium und Vorstand lesen sich wie ein Who’s Who der regionalen Funktionärslandschaft: ehemalige Politiker, Verwaltungsbeamte, Vertreter aus nahestehenden Kreisen. Diese Personen prägen das Bild einer Institution, die sich selbst rekrutiert – aus einem Milieu, das sich kennt, schätzt und bestätigt. Was als stabiles Netzwerk daherkommen mag, wirkt aus der Distanz wie ein geschlossener Zirkel, der mehr mit sich selbst als mit der Gesellschaft, die er zu vertreten vorgibt, beschäftigt ist.
Projekte ohne Resonanz
Die Stiftung ist nicht untätig. Schriftenreihen werden herausgegeben, Veranstaltungen organisiert, Preise verliehen. Doch wer nimmt davon Notiz? Die öffentliche Resonanz bleibt überschaubar, die gesellschaftliche Reichweite begrenzt. Selbst in Westfalen dürfte die Westfalen-Initiative den allermeisten unbekannt sein – nicht aus Desinteresse am Thema, sondern weil die Stiftung es nicht schafft, über ihren eigenen Dunstkreis hinauszuwirken.
Das liegt nicht zwingend an fehlenden Mitteln oder mangelnder Expertise. Es liegt an einer grundlegenden Haltung: Die Stiftung betreibt Heimatpflege als Verwaltungsakt, nicht als gesellschaftlichen Dialog. Innovation, Diversität der Perspektiven, kritische Auseinandersetzung – all das bleibt Mangelware. Stattdessen dominiert das Bewahren, das Pflegen, das Verwalten von Traditionen, die zunehmend nur noch für einen kleinen Kreis Bedeutung haben, der seine eigene gesellschaftliche Relevanz deutlich überschätzt.
Symptomatisch für diese mangelnde Durchschlagskraft ist das Schicksal des Informationsportals „Westfalen heute“, das die Stiftung einst als journalistisch geprägtes Regionalportal für aktuelle Themen aus Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft betrieb. An dem, wenn man so will, Nachfolge-Medium, dem online-Portal Westfalenpsieggel, ist die Westfalen-Initiative nicht beteiligt.
Diese Einstellung ist bezeichnend. Während andere regionale Initiativen erfolgreich digitale Plattformen etablieren und breite Nutzerkreise erreichen, scheiterte das journalistische Projekt der Westfalen-Initiative offenbar an mangelnder Relevanz, fehlender Reichweite oder unzureichender Finanzierung. Ein Portal, das regionale Identität stiften sollte, verschwand sang- und klanglos aus dem digitalen Raum – weil es niemand vermisste.
Doch nicht nur das Scheitern des Projekts ist bezeichnend. Auch die Art und Weise, wie „Westfalen heute“ arbeitete, offenbarte die strukturellen Schwächen der Institution. Das Portal fiel regelmäßig durch die unreflektierte Übernahme von Rankings und Statistiken auf. Wo immer eine Statistik oder ein Ranking mit Bezug zu Westfalen aufgegriffen werden konnte, war „Westfalen heute“ zur Stelle – unkritisch, affirmativ, ohne journalistische Distanz.
Fragwürdige Ehrungen, verpasste Chancen
Besonders augenfällig wird die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei der Auswahl jener, die in der Vergangenheit als „Ehrenwestfalen“ geehrt wurden. Die Auszeichnung Christoph Metzelders – später wegen schwerer Straftaten verurteilt – mag zum Zeitpunkt der Ehrung nicht vorhersehbar gewesen sein. Doch sie wirft Fragen auf: Nach welchen Kriterien wird entschieden? Wie kritisch prüft man die eigenen Entscheidungen? Und welche Konsequenzen zieht man, wenn sich Fehleinschätzungen offenbaren?
Hinzu kommen interne Konflikte und Führungsschwächen, die immer wieder durchschimmern. Eine Organisation, die Eigenverantwortung und Subsidiarität predigt, scheint Schwierigkeiten zu haben, diese Prinzipien in der eigenen Struktur zu leben.
Der Widerspruch im Kern
Und hier liegt der zentrale Widerspruch: Eine Stiftung, die Gemeinwohl, Bürgersinn und Eigenverantwortung fördern will, wird von Menschen getragen, die primär aus politisch-administrativen Strukturen stammen. Wo ist die kritische Zivilgesellschaft? Wo sind die Stimmen aus Kunst, Wissenschaft, Sozialarbeit, Unternehmertum, die nicht dem etablierten Netzwerk entstammen? Wo ist die Vielfalt, die eine moderne Gesellschaft ausmacht?
Die Westfalen-Initiative wirkt wie ein Relikt aus einer Zeit, in der regionale Identität von oben verwaltet wurde – von jenen, die die Deutungshoheit für sich beanspruchten. In einer Zeit, in der Bürgerbeteiligung, Transparenz und Diversität zunehmend als unverzichtbar gelten, wirkt dieses Modell anachronistisch – aus der Zeit gefallen.
Quellen:
Westfalen-Initiative im Selbstzerlegungsmodus?
Wen vertritt die Westfalen-Initiative?
Westfalen heute, die Westfälischen Nachrichten und der Ranking-Stuss
