Hans Ulrich Bergmeyer, 1920 in Bielefeld geboren, war ein Pionier der enzymatischen Diagnostik. Nach seinem Studium der Chemie und Biochemie an der Universität Bonn wurde er Spezialist der Enzymologie. Ab 1954 leitete er bei Boehringer Mannheim in Tutzing die Biochemie und prägte die klinische Diagnostik, indem er Enzyme zu Werkzeugen der Medizin machte und industrielle Standards setzte.
Als Hans Ulrich Bergmeyer 1954 bei Boehringer Mannheim die Leitung des Bereichs Biochemie in Tutzing übernahm, begann eine der prägendsten Phasen in der Unternehmens- und Diagnostikgeschichte. Der gebürtige Bielefelder hatte eine klare Vision: Enzyme sollten nicht länger nur Gegenstand akademischer Forschung sein, sondern in standardisierter und anwendungsfertiger Form für biochemische und klinisch-diagnostische Labore bereitstehen. Damit leitete er den Übergang von der Enzymologie als Grundlagenwissenschaft hin zu einer industriellen Schlüsseltechnologie für die Gesundheitsversorgung ein.
Bergmeyer erkannte früh, dass die Stärke in der Kombination lag – präzise Methoden, hochwertige Enzyme und standardisierte Reagenzien. Unter seiner Führung entstanden die ersten Testkombinationen: Kits mit vorgewogenen Reagenzien und detaillierten Arbeitsanleitungen. Sie befreiten die universitäre Forschung von der zeitraubenden Eigenproduktion und machten die Labordiagnostik schneller, zuverlässiger und breiter verfügbar.
Seine methodischen Beiträge waren ebenso bahnbrechend. Mit der Herausgabe des Standardwerks Methods of Enzymatic Analysis (1962) schuf Bergmeyer eine internationale Referenz, die die enzymatische Diagnostik wissenschaftlich absicherte und weltweit verbreitete. Verfahren zur Bestimmung krankheitsrelevanter Blutwerte – darunter Cholesterin und Triglyceride – wurden zur Grundlage der Prävention und Behandlung zahlreicher Erkrankungen.
Die wirtschaftlichen Folgen für Boehringer Mannheim waren erheblich: Während 1975 noch 77,5 % des Umsatzes aus Therapeutika stammten, sank dieser Anteil bis 1985 auf 38,2 %. Im Gegenzug wuchs das Diagnostika-Segment von 22,5 % auf 61,8 %. Symbol für diesen Wandel war die diagnostische Trockenchemie, insbesondere der „Trockenreagenzien-Harnstreifen“. Mit ihm gelang die Standardisierung und Vereinfachung von Analysen, die zuvor komplexe Labormethoden erfordert hatten.
Bergmeyer war nicht nur Innovator im Produktbereich, sondern auch in der internationalen Vernetzung. Kooperationen, etwa mit Hitachi ab 1978, ebneten den Weg zur Automatisierung klinischer Laboranalytik. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Tutzinger Institut zu einem global anerkannten Zentrum wissenschaftlicher Exzellenz und industrieller Produktion.
Sein Wirken markiert eine Zeitenwende: Hans Ulrich Bergmeyer verwandelte die Enzymologie in ein industrielles Rückgrat der modernen Diagnostik – und legte damit den Grundstein für die präzise, standardisierte und automatisierte Laboranalytik, die bis heute den medizinischen Alltag bestimmt.