Von Konrad Beckhaus bis Otto Ludwig Lange: Westfalen hat eine beeindruckende Tradition botanischer Forschung hervorgebracht. Die Region vereint wissenschaftliche Exzellenz mit lebendiger Gartenkultur – ein grünes Erbe, das von historischen Gelehrten bis zu modernen Universitätsgärten reicht und Westfalen zu einem bedeutenden Zentrum der Pflanzenkunde macht.


Eine Region im Zeichen der Botanik

Wer an Westfalen denkt, hat womöglich zunächst Industrielandschaften, Fachwerkhäuser oder die münsterländische Parklandschaft vor Augen. Doch die Region kann auf eine weniger bekannte, aber umso bemerkenswertere Tradition zurückblicken: eine jahrhundertelange Geschichte botanischer Forschung und Gartenkultur, die weit über ihre Grenzen hinaus Bedeutung erlangt hat.

Die Pflanzenkunde fand in Westfalen fruchtbaren Boden – nicht nur im wörtlichen Sinne, sondern vor allem durch die Menschen, die sich mit Leidenschaft und Akribie der Erforschung der heimischen und exotischen Flora widmeten. Namen wie Konrad Beckhaus, der nicht umsonst als „Der Botaniker Westfalens“ in die Geschichte einging, stehen exemplarisch für eine Gelehrtentradition, die das botanische Wissen der Region systematisch erschloss und dokumentierte.

Pioniere der Pflanzenkunde

Die Liste westfälischer Botaniker liest sich wie ein Who’s Who der deutschen Pflanzenkunde vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Theodor Dorsten, bereits im 16. Jahrhundert als Arzt und Botaniker tätig, gehörte zu den frühen Pionieren und verfasste ein bedeutendes botanisch-pharmazeutisches Werk mit detaillierten Pflanzenbeschreibungen. Ihm folgten im 18. Jahrhundert Swibert Burkhard Schiverek, der sich mit Heilpflanzen und deren Wirkungen auseinandersetzte, und Franz Wernekinck, Professor in Münster, der wichtige Beiträge zur Pflanzenmorphologie und -anatomie leistete.

Das 19. Jahrhundert brachte eine beeindruckende Blüte botanischer Forschung: Wilhelm Hillebrand und Ignaz Urban trugen ebenso zur Erforschung bei wie Carl-August Weihe, der sich intensiv der heimischen Flora widmete. Ludwig Vollrath Jüngst, Emil Werth, Clemens Maria Franz von Bönninghausen und Franz Karl Mertens ergänzten diese Generation mit eigenen Schwerpunkten. Wilhelm von der Marck arbeitete zur Flora Mitteleuropas, während Anton Menge als vielseitiger Naturforscher nicht nur botanische, sondern auch entomologische Studien vorlegte.

Besonders hervorzuheben sind die beiden Brüder Adolf und Heinrich Schenck: Adolf Schenck erforschte die Pflanzengeographie in Südafrika und Europa, sein Bruder Heinrich machte sich als Tropenpflanzenforscher in Südamerika und Südafrika einen Namen. Hermann Vöchting wurde zum Pionier der experimentellen Pflanzenphysiologie und erforschte grundlegende Fragen der Polarität und Regeneration in Pflanzen. Paul Graebner spezialisierte sich auf Systematik und Floristik der europäischen Flora, während Oscar Brefeld als bedeutender Mykologe die Pilzforschung revolutionierte.

Auch der Naturforscher Eduard Friedrich Eversmann, obwohl später in Russland und Zentralasien als Entdecker tätig, hatte seine Wurzeln in dieser reichen westfälischen Tradition.

Die Tradition setzte sich im 20. und 21. Jahrhundert nahtlos fort: Otto Ludwig Lange, der 2017 verstorbene Pflanzenökologe und Pionier der Pflanzenklimatologie, erhielt für seine bahnbrechenden Forschungen zu Flechten und Moosen zahlreiche Auszeichnungen, darunter den renommierten Leibniz-Preis. Lore Steubing forschte zur Ökophysiologie und Stressanpassungen von Pflanzen, während Joachim Wattendorff wichtige Beiträge zur Pflanzenanatomie und Morphologie leistete.

Die jüngere Generation setzt diese Tradition fort: Angelika Schwabe-Kratochwil arbeitet zur Biologie und Taxonomie verschiedener Pflanzenarten, Axel Brennicke hat sich auf Mitochondrien- und Chloroplastengenetik spezialisiert, und Rüdiger Wittig erforscht als Geobotaniker und Ökologe die Stadtökologie und pflanzliche Bioindikatoren. Andreas Sievers widmet sich der Erforschung und Pflege botanischer Sammlungen, insbesondere zur westfälischen Flora.

Selbst die Gartenarchitektur profitierte von dieser Tradition: Hans Winter verband als Gartenarchitekt und Botaniker Planungen öffentlicher Grünanlagen mit gartenhistorischer Forschung – ein Beleg dafür, dass Westfalen auch im modernen Wissenschaftsbetrieb botanische Akzente setzt und dabei Theorie und Praxis verbindet.

Engelbert Kaempfer: Der weitgereiste Westfale

Eine besondere Stellung nimmt Engelbert Kaempfer ein, jener vielseitige Forscher und Weltreisende, dessen Bedeutung weit über die Grenzen Westfalens hinausreichte. Seine Verdienste um die Botanik waren so bedeutend, dass kein Geringerer als Carl von Linné, der Begründer der modernen botanischen Nomenklatur, ihm mit der Gattung Kaempferia ein dauerhaftes Denkmal setzte. Kaempfer verkörpert den Geist der Entdeckung und wissenschaftlichen Neugier, der auch die westfälische Botanik prägte – ein Gelehrter, der lokale Verwurzelung mit globaler Perspektive verband.

Grüne Oasen: Botanische Gärten als lebendiges Erbe

Was die historischen Botaniker an Wissen zusammentrugen, findet heute seine Fortsetzung in den botanischen Gärten der Region, die nicht nur Orte der Forschung, sondern auch der Bildung und Erholung sind. Ein wahres Kleinod ist der Botanische Garten der Ruhr-Universität Bochum, der mit seiner Vielfalt an Pflanzensammlungen beeindruckt. Hervorzuheben ist vor allem der Chinesische Garten, der als kulturelle Brücke und botanische Besonderheit gleichermaßen fasziniert.

Ebenfalls sehenswert ist der Botanische Garten der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, der in seiner Verbindung von Wissenschaft und öffentlicher Zugänglichkeit die Tradition der westfälischen Botanik lebendig hält und einem breiten Publikum nahebringt.

Parks und Gärten: Grün für alle

Neben den wissenschaftlich ausgerichteten botanischen Gärten bietet Westfalen eine Reihe beliebter und überregional bekannter Parkanlagen. Der Stadtpark Gütersloh, der Stadtpark Bochum und der Stadtpark Bottrop sind nicht nur Naherholungsgebiete für die lokale Bevölkerung, sondern ziehen Besucher aus ganz Deutschland an. Nicht zu vergessen ist der Westfalenpark in Dortmund, der mit seinem Rosarium und seinen vielfältigen Gartenanlagen zu den bedeutendsten Parkanlagen der Region zählt.

Diese Parks und Gärten machen deutlich, dass Botanik in Westfalen nie eine reine Gelehrtensache war, sondern immer auch mit dem Alltag der Menschen verwoben blieb – als Orte der Erholung, der Bildung und der ästhetischen Erfahrung.

Ein lebendiges Erbe

Westfalens botanisches Erbe ist mehr als eine historische Fußnote. Es ist ein lebendiges Netzwerk aus Forschung, Bildung und Gartenkultur, das von den Privatgelehrten vergangener Jahrhunderte bis zu den modernen Universitätsgärten reicht. Die Region hat Bedeutendes zur Pflanzenkunde beigetragen – und tut es bis heute.

Wer sich vertieft mit den Gärten und Parks Westfalens beschäftigen möchte, findet umfassende Informationen auf spezialisierten Plattformen wie „Gärten und Parks in Westfalen-Lippe“, „Gärten in Westfalen“ und „Botanische Gärten in Nordrhein-Westfalen“. Dort wird deutlich: Westfalens grünes Erbe ist vielfältig, zugänglich und lädt zum Entdecken ein – eine Tradition, die Wurzeln geschlagen hat und weiter blüht.

Von Rolevinck

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