Ein Münsteraner Magier verzauberte Präsidenten und Kaiser, wurde von Herman Melville verewigt – und begründete damit eine Tradition, die bis heute in Westfalen lebendig ist. Alexander Heimbürgers Geschichte ist nicht nur eine Geschichte verlorener Größe, sondern auch das Fundament einer Zauberkunst-Dynastie, die von den Ehrlich Brothers in Bünde bis zur Stiftung für Zauberkunst im Münsterland fortlebt.


Es gibt Menschen, deren Namen mit großen Taten verknüpft sind, deren Leben sich wie ein Abenteuerroman liest, deren Ruhm über Kontinente hinweg erklang – und die dennoch in Vergessenheit gerieten. Alexander Heimbürger war einer von ihnen. Der Zauberkünstler aus Münster gehörte zu jenen Künstlern des 19. Jahrhunderts, die eine international geachtete Größe darstellten, ohne dass die Nachwelt viel von ihm wusste.

Von der Kunstfertigkeit zum Geschäftsmodell

Wer war dieser Mann, dem es gelang, in den Vereinigten Staaten Furore zu machen? Um das zu verstehen, muss man verstehen, wie Heimbürger arbeitete. Herr Alexander war einst ein unscheinbarer Varietékünstler – einer von vielen, die ihre Tricks in Sälen und auf Jahrmärkten feilboten. Doch während andere ihrer Kunst nachgingen, erkannte Heimbürger früh, dass Zauberei auch ein Geschäftsmodell sein konnte. Mit Charme, Witz und technischer Raffinesse verwandelte er bloße Tricks in Spektakel und das Publikum in treue Anhänger. Sein Aufstieg vom Wanderzauberer zum gefeierten Bühnenkünstler war zugleich ein Lehrstück über Selbstvermarktung – Magie als Ware, Erfolg als Illusion, die Wirklichkeit wurde.

Seine erfolgreichste Zeit erlebte Heimbürger in Nord- und Südamerika, wo er als Künstler und Geschäftsmann gleichermaßen glänzte. Er war nicht nur ein Illusionist, der Tricks vorführte – er war ein Entertainer, der es verstand, Erwartungen aufzubauen, Neugier zu wecken und die Imagination seiner Zuschauer zu beflügeln. Und während andere Magier ihrem Handwerk nachgingen, verstand Heimbürger es, sein Image zu kultivieren, sein Geheimnis zu bewahren und sich selbst zur Legende zu machen. Seine Fähigkeiten waren offenbar so bemerkenswert und seine Reputation so gefestigt, dass sie auch die Aufmerksamkeit der Mächtigen erregten. Der damalige amerikanische Präsident James K. Polk ließ sich von Heimbürger im Weißen Haus „verzaubern“ – eine Ehre, die nur wenigen Künstlern zuteil wurde.

Herman Melville, einer der größten amerikanischen Romanciers, verewigte ihn in seinem Meisterwerk Moby Dick – nicht etwa zufällig, sondern als bewusste Würdigung eines zeitgenössischen Künstlers, der die Massen in seinen Bann schlug. Als „Herr Alexander“ taucht Heimbürger in Melvilles Epos auf, verewigt in den Seiten eines Romans, der bis heute gelesen wird.

Der Kaiser macht einen Umweg

Die Wertschätzung, die Heimbürger erfuhr, bezeugt sich auch in einer Episode, die fast anachronistisch anmutet: Als der brasilianische Kaiser Dom Pedro II. de Alcantara im Jahr 1897 durch Deutschland reiste, machte er in Münster einen besonderen Halt. Der Kaiser, Kopf eines großen südamerikanischen Reiches, unterbrach seine Reise hauptsächlich, um einem ehemaligen Zauberkünstler seine Aufwartung zu machen. Das war keine diplomatische Notwendigkeit, kein protokollarisches Muss – das war ein persönlicher Besuch, ein Akt der Verehrung gegenüber einem Künstler, dessen Magie offenbar tiefe Spuren hinterlassen hatte.

Das Goldene Zeitalter der Magie

Heimbürger war Teil einer Epoche, die später als das Goldene Zeitalter der Magie bekannt werden sollte. Zwischen Gaslicht und Grammophon entstand eine Ära, in der Illusionen den Fortschritt begleiteten wie ein Traum den Morgen. Die großen Magier der Jahrhundertwende – und mit ihnen Heimbürger – ließen Objekte schweben, Gedanken erraten und Körper verschwinden. Diese spektakulären Inszenierungen waren mehr als bloße Unterhaltung; sie waren Sinnbilder einer Gesellschaft im Übergang zur Moderne. Technik und Traum verbanden sich auf der Bühne, die zum Labor der Wunder wurde. Die Magie florierte in jener Zwischenzeit, als die alte Welt der Wunder noch nicht völlig verdrängt war, aber die neue Welt der Technik bereits ihre Schatten vorauswarf.

Es war eine Ära voller Möglichkeiten, bevor das Kino kam und die Illusionen auf die Leinwand verlagerte, bevor die Fotografie den Moment einfing und damit die Magie des Unsichtbaren zu zähmen begann. In dieser Übergangswelt thronte Heimbürger als einer der Meister – ein Künstler, der Wissenschaft und Phantasie miteinander verband und aus dieser Verbindung sein imperiales Reich schuf.

Die stille Rückkehr nach Hause

Doch wie viele Abenteurer vor und nach ihm beschloss Heimbürger, sein Leben anders auszuklingen zu lassen. Nach all den Jahren der Wanderschaft, der glänzenden Auftritte und internationalen Triumphe zog es ihn zurück nach Münster – in die Stadt seiner Herkunft, an den Ort der Ruhe. Hier verbrachte er seinen Lebensabend, dieser Mann, der die Welt gesehen hatte, der von Mächtigen geehrt worden war, der in der Literaturgeschichte seinen Platz gefunden hatte.

Von Heimbürger zu den Ehrlich Brothers: Die westfälische Zauberkunst-Dynastie

Was Heimbürger nicht sehen konnte: dass seine Heimatregion mehr als ein Jahrhundert später erneut zum Zentrum der deutschen Zauberkunst werden würde. In Bünde, nur wenige Kilometer von Münster entfernt, betreiben die Ehrlich Brothers heute ihre Zentrale, wo auf über 1000 Quadratmetern Sets entwickelt und Bühnenshows vorbereitet werden.

Es ist mehr als eine geografische Zufälligkeit, dass sich die modernen Magier-Superstars ausgerechnet in dieser Region niederließen. Wie Heimbürger einst als Geschäftsmann der Illusion fungierte, verstanden auch die Ehrlich Brothers sich nicht als Magier in einer mystischen Ecke, sondern als Entertainer, die ihre Illusionen als in der Wirklichkeit verwurzelte klassische Unterhaltung präsentierten. Beide Generationen von Zauberkünstlern teilten denselben unternehmerischen Geist, denselben Willen zur Spektakularisierung, denselben Ehrgeiz, Magie nicht als esoterisches Handwerk, sondern als professionalisiertes Entertainment-Geschäft zu verstehen.

Die Ehrlich Brothers wurden wie einst die großen Magier ihrer Zeit ausgezeichnet – als „Magier des Jahres“, was dem Oscar der Zauberkunst entspricht. Sie füllen Stadien statt Theater, nutzen moderne Medien statt nur Gaslicht, doch das Prinzip ist dasselbe: Durch Charme, technische Meisterschaft und geschicktes Marketing verwandeln sie Wunder in Waren, die Menschen verzaubern und begeistern.

Heimbürger hätte in den Ehrlich Brothers wohl seine geistigen Nachfolger erkannt – zwei Brüder, die wie er verstanden haben, dass die größte Illusion der modernen Magie nicht der Trick selbst ist, sondern die Verwandlung eines Künstlers zum globalen Phänomen.

Und wie Heimbürger einst in seinen Lebensabend ging, wissen auch die Ehrlich Brothers: Abseits der Bühne mögen sie es lieber bodenständig als magisch – sie leben mit ihren Familien in Bünde und der näheren Umgebung, in eben jenem Westfalen, das schon Heimbürger zur Heimat wählte.

Doch es gibt noch einen anderen Ort, an dem das Erbe der Zauberkunst lebendig wird. Im Münsterland unterhalten zwei Enthusiasten ein kurioses Archiv, das als „Stiftung für Zauberkunst“ überdauern soll – ein Ort, der aus der Passion zweier Menschen entstanden ist, die verstanden haben, dass Zauberkunst mehr ist als eine Karriere: Sie ist ein kulturelles Erbe, das bewahrt werden muss. Ein Magier muss dort allerdings auch ihr Steuerberater sein – eine köstliche Anekdote, die zeigt, wie sehr solche Institutionen auf der Hingabe ihrer Gründer beruhen.

Der Traum dieser beiden Enthusiasten ist ambitioniert: Ein Zentrum der Zauberkunst mit einem öffentlichen Museum, einem Zaubertheater samt magischem Café, mit einer großen Bibliothek und einem umfangreichen Archiv zur Zauberkunst, dazu Tagungsräume, Arbeitsplätze und Gästezimmer – ein Treffpunkt für alle Zauberbegeisterten und -interessierten, ganz egal, ob man selbst zaubert, nur recherchiert und forscht oder sich einfach als Zuschauer verzaubern lässt. Es ist ein Traum, der würdig gewesen wäre von Alexander Heimbürger selbst – der Gedanke, dass die Magie nicht in einzelnen Künstlern stirbt, sondern sich in Institutionen verewigt.

Es ist ein fast poetischer Kontrast: der Weltenbummler wird zum stillen Mitbürger, der Magier verzichtet auf seine Illusionen und sucht die Wahrheit der Häuslichkeit. Alexander Heimbürger verkörpert jene romantische Figur des ausgewanderten Künstlers, der die Früchte seiner Arbeit erntet und sich dann zur Ruhe setzt – nicht verbittert, nicht vergessen in seiner Heimatstadt, sondern als eine lokale Legende, ein Beweis dafür, dass es möglich war, von Westfalen aus die Welt zu erobern.

Dass sein Name heute weitgehend unbekannt ist, scheint die Geschichte nur zu unterstreichen: Die große Vergangenheit eines Menschen wiegt nicht immer gegen die Gegenwart auf. Aber für jene, die wissen, wer Alexander Heimbürger war – ein Künstler, dessen Zauberstab tatsächlich die Welt berührte – bleibt er unsterblich. Und in den Werkstätten von Bünde, wo die Ehrlich Brothers ihre Illusionen konstruieren, sowie in den Archiven und Sammlungen der Stiftung für Zauberkunst im Münsterland lebt sein Erbe fort: das Vermächtnis eines Mannes, der bewies, dass echte Magie aus Geschäftssinn, Raffinesse und unweigerlich westfälischer Hartnäckigkeit besteht – und dass sie, wenn man sie richtig verwaltet, Generationen überdauert.

Von Rolevinck

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