Bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts hinein war es wohl noch möglich, dass ein Gelehrter mehrere Wissensgebiete souverän beherrschte. Einer davon war Emil Werth, dessen wissenschaftliches Gesamtwerk ca. 500 Publikationen umfasst. Sein wohl bekanntestes Werk war Grabstock, Hacke und Plug.Versuch einer Entstehungsgeschichte des Landbaus.
Emil Werth wurde im Jahr 1869 in Münster geboren, wo er 1958 verstarb. An der Universität Münster studierte er Pharmazie. Kurz nach Abschluss seines Studiums ging er in das damalige Deutsch-Ostafrika. „Er war jetzt schon der selbständige Forscher, dem sich die verschiedensten Fragen wie von selbst aufdrängten, und er war von einem Fleiß besessen, der ihn bis in seine letzten Tage nicht zur Ruhe kommen ließ. Noch wenige Jahre vor seinem Tode machte er große geologische Exkursionen, um sich neue Einsichten in den Ablauf der Erdgeschichte zu verschaffen. Seine Gedanken bewegen sich überhaupt sehr stark historisch, im Sinne einer umfassenden echten „Natur-Geschichte“, weshalb er sich schon in Ostafrika mit der Kulturgeschichte der Banane sowie mit der Verbrei tung, Urheimat und Kultur der Kokospalme beschäftigte“[1]Professor Dr. Emil Werth t (11. März 1869 — 9. Juli 1958).
Seine erste große wissenschaftliche Exkursion war die Teilnahme an der Deutschen Südpolar-Expedition von 1901-1903[2]Botanik, Heft 3: Die Vegetation der subantarktischen Inseln Kerguelen, Possession- und Heard-Eiland, Teil 2. „Anfang August des Jahres 1901 ging es per Schiff in die Antarktis, wobei die Cap Verdischen Inseln, Kapstadt und die Crozet-Inseln berührt wurden. Werth war zum Leiter der Kerguelen-Station ausersehen worden. Uber ein Jahr blieb er hier, wo er geologisch-topographische Untersuchungen trieb sowie das Dasein der extremsten polaren Blütenpflanzen und der entsprechenden Fauna unter suchte. Er sammelte Material für eine Fülle von später veröffentlichten Arbeiten meist wieder recht umfangreichen Charakters, die in den Bänden der Ergebnisse der Expedition und an mannigfachen anderen Stellen erschienen. —Jetzt ging es nach Australien, wo Werth vor allem New South Wales und andere Gebiete bereiste. Die Gesamtfrage der Vogel- blütigkeit, Orchideen als Fliegenfallen, aber auch der australische „Bär* waren Themen seiner dortigen Studien“.
Im Jahr 1928 erschien sein Werk Der fossile Mensch.Grundzüge einer Paläanthropologie. „Dieses Standardwerk der Urmenschenforschung ist nie populär geworden, da es bei seinem Erscheinen den einflußreichen Darwinisten und den von diesen vertretenen Ansichten über den Zusammenhang von Mensch und Affe nicht genehm war, und weil sich niemand die Mühe machte, die Wertschen Ergebnisse unvoreingenommen nachzuprüfen. Werth ist nämlich kein Darwinist und hat auch noch nie ein Hehl aus seiner Gegnerschaft gegen über der Selektionstheorie gemacht“. … Im Gegensatz zu dieser Lehrmeinung sieht Werth in dem entwicklungsgeschichtlichen Prozeß eine Lenkung, ein Gerichtetsein. Diese Auffassung befindet sich nun natürlich auch im Gegensatz zur weitverbreiteten de Vries’schen Lehre von den Sprungmutationen, der die Genetiker meist anhängen. Werth hat mithin sowohl gegen den Selektionismus als auch gegen gewisse Überschätzungen der modernen Genetik bezüglich der Entwicklungsgeschichte in gleicher Weise Front zu machen. Er kommt deshalb auch zur Anerkenntnis des Vorhandenseins einer »höheren, überlogischen Wirklichkeit”, die wir populär ruhig mit dem Namen »Gott” belegen dürfen!“[3]vgl. dazu: Das Problem des tertiären Menschen.[4]vgl. dazu: Die ersten Spuren des fossilen Menschen in Deutsch-Ostafrika».
Werth war, wie man heute sagen würde, ein Klimaforscher ersten Ranges[5]Anfang Juli 1925 bis Ende Dezember 1925: Reisen und Forschungen in Schwedisch- und Norwegisch-Lappland. Hauptsächlich Untersuchungen über Klimazonen und die Nordgrenzen der verschiedensten … Continue reading[6]Im Jahre 1904 kehrte Werth über Ceylon, Neapel und Rom von neuem in die Heimat zurück, auf welcher Reise er, wie bereits in Afrika, mit völkerkundlichen und wirtschaftsgeschichtlichen Studien … Continue reading. Dem damals vorherrschenden Eurozentrismus konnte er nicht viel abgewinnen: „So wird von Werth die Pflugbaukultur von Nordwestindien und den unmittelbar benachbarten Räumen abgeleitet und nicht von Europa, welche Ansicht aus europäisch-lokalpatriotischen Gründen immer wieder verfochten wird„. Ein weiteres Arbeits- und Forschungsgebiet Emil Werths war Kartografie kulturhistorischer Fakten über weite Räume. Beispielhaft ist die Studie „Die Polargrenze des Ackerbaues im steinzeitlichen Europa”. Seiner Auffassung nach unterschied sich Alteuropa, das vom Mittelmeergebiet beeinflusst ist und wirtschaftlich auf dem Anbau von Winterweizen und dem von zwei Rindern gezogenen Pflug basierte von Russland, wo der Ackerbau vom Roggenanbau und der von einem Pferd gezogenen Zoche geprägt war. Letzteres war für Werth an klares Zeichen für einen Einfluss aus Innerasien. Deshalb sei die Ukraine ein Land, das kulturhistorisch zum Westen zählt. „Wenn nun die sowjetische Archäologie und Ethnographie immer wieder gewisse kulturelle ukrainisch-großrussische Parallelen in den Vordergrund zu rücken bestrebt sind, um auf diesem Wege der Russifizierung der Ukraine die Wege zu ebnen, so kann man nur erklären, daß dieses Unterfangen absolut hoffnungslos ist. Eine Kulturgrenze, deren Wirksamkeit sich bereits seit vielleicht rund 7000 Jahren immer wieder als von wesentlichster Bedeutung für die Geschichte erwiesen hat, kann nicht im Laufe einiger Jahrzehnte illusorisch gemacht werden, es sei denn, man siedelt 40 Millionen Ukrainer nach Sibirien aus!„.
Auswahl aus der Schriften:
Begegnungen am Wege eines Naturforschers. Lebenserinnerungen von Emil Werth
Parapithecus, ein primitiver Menschenaffe.
E. W c r t h : Über einige blütenbiologische Untersuchungen in den Alpen.
References
↑1 | Professor Dr. Emil Werth t (11. März 1869 — 9. Juli 1958) |
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↑2 | Botanik, Heft 3: Die Vegetation der subantarktischen Inseln Kerguelen, Possession- und Heard-Eiland, Teil 2 |
↑3 | vgl. dazu: Das Problem des tertiären Menschen. |
↑4 | vgl. dazu: Die ersten Spuren des fossilen Menschen in Deutsch-Ostafrika» |
↑5 | Anfang Juli 1925 bis Ende Dezember 1925: Reisen und Forschungen in Schwedisch- und Norwegisch-Lappland. Hauptsächlich Untersuchungen über Klimazonen und die Nordgrenzen der verschiedensten Kulturpflanzen. Arbeiten der letzterwähnten Forschungsrichtung behandeln Klima und Vegetationsgliederung in Deutschland, die Landbaugebiete der Erde, die ursprüngliche Verbreitung und älteste Geschichte der Weinrebe, die Oelpalme in der Kultur der Eingeborenen, Geographie und Geschichte der Hirsen, Klimatologie, Pflanzengeographie und Geschichte des europäischen Ackerbaues, die Gehölzartenverteilung in Deutschland in der Zeit vor der willkürlichen Forstwirtschaft, die Pflugformen des Nordischen Kulturkreises und ihre Bedeutung für die älteste Geschichte des Landbaues und das Campignien als älteste Bauernkultur Europas, in: Emil Werth 85 Jahre alt. |
↑6 | Im Jahre 1904 kehrte Werth über Ceylon, Neapel und Rom von neuem in die Heimat zurück, auf welcher Reise er, wie bereits in Afrika, mit völkerkundlichen und wirtschaftsgeschichtlichen Studien über tropische Kulturpflanzen beschäftigt war. Kaum wieder im Lande, benutzte er einen Erholungsurlaub im Bodenseegebiet zu Untersuchungen zur diluvialen Vergletscherung des Alpenvorlandes und der altsteinzeitlichen Kulturen dortselbst. Es war nicht das erste Mal, daß er sich um die Diluvialgeolo gie bemühte. Bereits aus dem Jahre 1900 kennen wir eine Arbeit von ihm über das diluviale Gletschergebiet des Riesengebirges, der im nächsten Jahre eine weitere über das Diluvium im nördlichen Riesengebirge gefolgt war, in: Professor Dr. Emil Werth t (11. März 1869 — 9. Juli 1958) |