Hinzpeter ist eine seltsame Randfigur der Geschichte. Kaum ein Erzieher war weniger für seine Aufgabe geeignet als er. Sein sozialer Hintergrund, sogar sein Aussehen sprachen gegen ihn. Er stammte aus einer calvinistischen Familie, war aus Bielefeld gebürtig und hatte dort das Gymnasium besucht, an dem sein Vater alte Sprachen lehrte. Die asketischen Lehren des Calvinismus bestimmten Hinzpeters Moralsystem. Er lernte, dass Freude nur in der tugendhaften Pflichterfüllung zu finden sei. Seine Altersgenossen am Gymnasium und an der Universität konnten sich für Heines Lyrik, für die Dichter der Romantik begeistern, doch dergleichen brachte keine Saite in Georg Hinzpeters Seele zum Klingen. Er machte seinen Doktor in klassischer Philologie und wirkte dann als Lehrer in Westfalen. Seine Sorgfalt und Rechtschaffenheit trugen ihm Erzieherstellen bei mehreren Familien des Hochadels ein. Der Kronprinz lerne ihn im Hause des Grafen Emil von Görtz-Schlitz kennen. Hinzpeters geistige Interessen waren eben nicht breit gefächert – auf Friedrich den Großen hätte er keinen Eindruck gemacht. Für Künstlerisches hatte er kein Organ, was teilweise daran lag, dass es zu den Grundsätzen seiner Erziehung gehörte, auch die harmlosesten Sinnenfreuden abzulehnen. Der Kronprinz bewunderte die stille, zurückhaltende und hingebungsvolle Art, mit der Hinzpeter seine Arbeit tat. Doch er war bereit, das letzte Wort Viktoria sprechen zu lassen. …. Der Kronprinz wies Hinzpeter an, seinen ältesten Sohn dergestalt zu bilden, dass er es mit der „geistigen Elite“ des Königreichs aufnehmen könnte. Das war eine gewaltige Aufgabe, doch es fehlte Hinzpeter nicht an Selbstvertrauen, und so machte er sich denn entschlossen ans Werk.
Quelle: Kaiser Wilhelm II. Glanz und Elend einer preußischen Dynastie, Autor: Alan Palmer
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Georg Hinzpeter: Ein westfälischer Schulmann