Jahrzehntelang stand Miele für deutsche Wertarbeit und unerschütterliche Qualität. Doch die einstige „Königin der Zuverlässigkeit“ kämpft heute mit Vertrauensverlust, Qualitätsproblemen und einer ratlos wirkenden Führung, die externe Berater ins Haus holt. Ein Lehrstück über den Niedergang einer Premiummarke.
Es war einmal ein deutsches Unternehmen, dessen Name wie ein Gütesiegel klang: Miele. „Immer besser“ lautete der Slogan, und Generationen von Kunden glaubten daran. Die Waschmaschine hielt zwanzig Jahre, der Staubsauger wurde vom Vater an den Sohn weitergegeben, und wer sich ein Miele-Gerät leistete, kaufte nicht nur ein Haushaltsgerät, sondern ein Stück deutsche Ingenieurskunst.
Diese Zeit scheint vorbei zu sein.
Das zerbrochene Versprechen
Was heute in den Bewertungsportalen zu lesen ist, würde die Firmengründer Carl Miele und Reinhard Zinkann vermutlich in ihren Gräbern rotieren lassen. Rostende Geschirrkörbe bei Premiumspülmaschinen, leckende TwinDos-Systeme, vorzeitige Defekte bei Geräten, die eigentlich Jahrzehnte halten sollten. Die Beschwerden häufen sich, und aus dem einstigen Chor der Begeisterung ist ein Konzert der Enttäuschung geworden.
Besonders bitter: Wenn Kunden ihre berechtigten Reklamationen vorbringen, stoßen sie auf eine Mauer aus Bürokratie und mangelnder Kulanz. Was früher als vorbildlicher deutscher Kundenservice galt, ist zu einem Hindernislauf geworden. Reparaturen dauern Wochen, Ersatzteile kosten ein Vermögen, und der Support reagiert – wenn überhaupt – mit standardisierten Floskeln statt individuellen Lösungen.
Der Preis der Globalisierung
Hinter diesem Niedergang stehen nicht nur einzelne Pannen, sondern systemische Veränderungen. Miele steht unter enormem wirtschaftlichen Druck. Die Nachfrage im Premiumsegment bröckelt, Materialkosten explodieren, und die Konkurrenz aus Asien macht mit ähnlicher Qualität zu deutlich günstigeren Preisen Druck. Die Antwort des Unternehmens: Kostensenkung um jeden Preis.
Produktionsteile wanderten nach Polen ab – ein Schritt, den treue Kunden als Verrat an den eigenen Qualitätsversprechen interpretierten. Stellenabbau und Effizienzprogramme folgten. Die Mitarbeitenden, einst stolz darauf, für „das“ deutsche Premiumunternehmen zu arbeiten, sprechen heute von einem Klima, in dem sie sich als „Kostenfaktor statt Familie“ fühlen.
McKinsey als Offenbarungseid
Das vielleicht deutlichste Symbol für die Orientierungslosigkeit der Führung ist die Beauftragung von McKinsey. Erstmals in der Unternehmensgeschichte mussten externe Strategieberater ins Haus geholt werden – ein Novum für ein Familienunternehmen, das stolz auf seine Eigenständigkeit war.
Die Botschaft ist unmissverständlich: Die Geschäftsleitung traut der eigenen Expertise nicht mehr. Wo früher aus der Tradition heraus Innovation entstand, regieren heute Excel-Tabellen und Benchmark-Analysen. McKinsey verspricht Kosteneinsparungen von bis zu 500 Millionen Euro jährlich – ein beeindruckender Betrag, der jedoch die Frage aufwirft, wer diese Rechnung am Ende bezahlt.
Die Belegschaft protestiert, der Betriebsrat schlägt Alarm, und in der Fachpresse wird das McKinsey-Engagement als klassisches Krisensymptom gedeutet. Wenn ein Traditionsunternehmen externe Berater braucht, um seine Zukunft zu planen, ist das meist kein gutes Zeichen.
Die Ironie des Erfolgs
Paradoxerweise wird Miele in formellen Umfragen immer noch positiv bewertet. Das Markenimage lebt von seiner Vergangenheit, doch die Realität holt die Marke ein. Auf Trustpilot und anderen Bewertungsplattformen überwiegen mittlerweile die negativen Stimmen deutlich. Kunden, die einst bedingungslos loyal waren, wenden sich ab oder zögern beim nächsten Kauf.
Das Versprechen „Immer besser“ ist zu einer hohlen Phrase geworden. Wer heute für den Miele-Aufschlag zahlt, erhält oft nicht mehr als das, was günstigere Marken ebenfalls bieten. Die Preisdifferenz lässt sich kaum noch durch spürbar höhere Qualität oder längere Haltbarkeit rechtfertigen.
Lehren aus dem Niedergang
Der Fall Miele ist mehr als die Geschichte eines einzelnen Unternehmens. Er zeigt, wie schnell Vertrauen verspielt werden kann, das über Generationen aufgebaut wurde. Premiummarken leben von ihrem Versprechen – bricht es, bricht die gesamte Positionierung zusammen.
Gleichzeitig offenbart sich ein typisch deutsches Dilemma: Wie behauptet sich traditionelle Wertarbeit im globalen Preiskampf? Mieles Antwort – Kosten senken und externe Berater engagieren – scheint eher Teil des Problems als der Lösung zu sein.
Vielleicht liegt hier auch eine Hoffnung: Noch ist Miele nicht verloren. Aber die Rückkehr zu alter Stärke würde bedeuten, sich wieder auf das zu besinnen, was die Marke groß gemacht hat: Qualität, die ihren Namen verdient, und Kundenservice, der Kunden zu Botschaftern macht.
Bis dahin bleibt Miele ein Lehrstück dafür, wie aus „Immer besser“ ganz schnell „Immer schlimmer“ werden kann.
Quellen:
Miele Bewertungen auf Trustpilot
Erfahrungen mit Miele Kundendienst für Waschmaschinen
Does the quality of Miele products justify the higher price while offering less features?
Miele reagiert auf Nachfragerückgang und Kostendruck